Energiewende im Knast

Ein Hochsicherheitsgefängnis in Kalifornien betreibt das bislang modernste "Microgrid" – ein lokales intelligentes Stromnetz, das erneuerbare Energien und Versorgungssicherheit miteinander verbindet.

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Von
  • Kevin Bullis

Ein Hochsicherheitsgefängnis in Kalifornien betreibt das bislang modernste "Microgrid" – ein lokales intelligentes Stromnetz, das erneuerbare Energien und Versorgungssicherheit miteinander verbindet.

Der Strafvollzug ist nicht gerade der Ort, an dem man Innovationen für die Energiewende vermutet. Das Hochsicherheitsgefängnis Santa Rita Jail in Kalifornien könnte jedoch ein Beispiel werden: Dort ist ein eigenes Stromnetz installiert worden, das die Energieversorgung der Sicherheitsanlagen auch dann gewährleisten soll, wenn das gewöhnliche Stromnetz etwa aufgrund eines Sturms ausfällt. Das „Microgrid“ speichert und verteilt Strom aus verschiedenen Quellen wie Solarzellen, Dieselgeneratoren und Brennstoffzellen – und ist womöglich ein Prototyp für kleinteilige Stromnetze der Zukunft.

Das Santa-Rita-Microgrid ist derzeit das modernste seiner Art in den USA und eine lokale Variante „intelligenter" Stromnetze – "Smart-Grids" –, die die Energieversorung zuverlässiger und billiger machen sollen. Es verringert die Betriebskosten des Gefängnisses jährlich um 100.000 Dollar. „Ob mit oder ohne Subventionen, die Technologie zahlt sich in vielen Fällen aus“, sagt Michael Clark, Vorstandsvorsitzender von Encorp. Das Unternehmen hat die Software und die Geräte für das Versorgungsnetz im Santa Rita Jail eingebaut.

Das Kleinstnetz eignet sich besonders für Solar- und Windstrom. Üblicherweise sind die nach Tageszeit schwankenden Erträge der erneuerbaren Energien ein Problem für die Stromversorgung. Um die Grundlast abdecken zu können, setzen Energieerzeuger in herkömmlichen Netzen auf fossile Großkraftwerke. Bei Lastspitzen fahren sie zusätzliche Anlagen hoch, wenn nicht genug Wind weht oder Sonne scheint.

Im Microgrid hingegen stellt ein Verbund aus Tausenden von Batterien als Zwischenspeicher sicher, dass immer genug Strom da ist, wenn er gebraucht wird. Die Microgrid-Technologie ist damit gewissermaßen ein Zwitter aus Notfallsystem und alleinstehendem Solarpark.

Das Einspeisen der verschiedenen Stromquellen und die Bereitstellung koordiniert eine spezielle Software. Im Santa Rita Jail hat Encorp an den Quellen sowie an den Übergangspunkten ins Gefängnis Steuerungsanlagen aufgestellt. Die Kästen von der Größe eines klassischen PC sind miteinander vernetzt und regeln rund um die Uhr, wieviel Strom sie ins Mikronetz weiterleiten. Zugleich überwachen sie Spannung und Frequenz des eingespeisten Stroms.

Encorp setze hierfür selbst entwickelte Steueralgorithmen ein, sagt Clark. Die Strommenge, die das Microgrid ans Gefängnis liefert, lässt sich variieren. So kann die Gefängnisleitung den Verbrauch von Klimaanlagen oder Beleuchtung drosseln, um einen Teil des Stroms an andere Netzbetreiber zu verkaufen.

Noch sind Microgrids ein Nischenmarkt für Einrichtungen interessant, die sich keine Stromausfälle leisten können. Das sind neben Gefängnissen etwa Krankenhäuser, Rechenzentren oder Militärbasen. Auch in sehr abgelegenen Gebieten, die nicht ans herkömmliche Stromnetz angeschlossen sind, könnte sich die Technologie etablieren.

Dass sie in Kalifornien in Schwung kommt, ist kein Zufall: Die Strompreise sind dort hoch, und der Einsatz von Notfallgeneratoren streng reguliert. Doch wenn der Preis für Hochleistungsakkus weiter fällt, könnten sich Microgrids schon bald auch in anderen Gegenden wiederfinden.

(nbo)