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Was war. Was wird.

Ach, was haben wir gelacht. Nein, doch nicht? Nicht ein bisschen? Hal Faber kann sich nicht entscheiden, wenn ein Nein zum Jain und ein Kult zur Normalität mutiert, Informationen zur juristisch verhandelten Uninformation und User zu Proselyten verkommen.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Stop making sense, sangen einstmals die Talking Heads: Das soll das Motto dieser kleinen Wochenschau sein. Denn wir haben nur die Wahl, zu lachen, bis uns das Lachen im Hals stecken bleibt, oder zu kotzen, ohne Ende. Immerhin habe ich und das verbliebene Trüppchen WWWW-Leser Freitag den 13. überstanden, das Batgirl-Meme überlebt. Eigentlich wären mir Zeichnungen unserer tollen harten BND-Agentinnen lieber gewesen, die im unermüdlichen Einsatz für die amerikanischen Verbündeten Bombenziele ausbaldowerten, souverän das Schrödersche Nein ignorierend. Oder war das Nein vielleicht ein Jein, ein Jain, ein Yeah-Ja, gar ein simpler Software-Fehler in dem Übersetzungsprogramm des BND? Ein verstecktes Ja nach dem Vorbild gut versteckter Massenvernichtungswaffen? Wir wissen es noch nicht, doch sind bereit, alles zu glauben, was uns die Abteilung 23 serviert. Es könnte ja sein, dass die abgesprochenen "aims of comprehensive regional planning" irrtümlich als "Zielerfassung" bezeichnet wurden. Und überhaupt: Jeder Stadtplaner weiß, dass erst einmal gründlich abgerissen werden muss, ehe ein ordentlicher Aufbau möglich ist.

*** Bleiben wir beim Organisationsweltmeister Deutschland, dessen Fußball-Halbgötter nach der Warentestdusche die Absage eines gemütlichen Ballstadls mit 12.000 Laiendarstellern durch die nüchtern kalkulierende Fifa verkraften müssen. Das sich nur 5000 Leute die spielfreie Eröffnung einer Balltreterweltmeisterschaft antuen wollten, lässt hoffen, dass es noch Reste der Vernunft gibt in diesem unseren Land, dem nun der esoterische Schmalzquark des Herrn Heller erspart bleibt. Nein, Du bist nicht Heller, nicht in diesem unseren Land, das in seinem offiziellen Sexualorgan auf wehrmachtsbehelmte Nachbarn so antwortet: "Käse-Tussi, hops in deinen Wohnwagen und roll zurück Richtung Campingplatz! Ins Land, wo die Menschen ihr eigenes Gras rauchen – und auf'm Rasen spucken statt Fußball zu spielen."

*** Lernen wir also das Gesetz des Marktes respektieren, das die Fifa zum obersten Schiedrichter ihrer Balloperetten ausgerufen hat: Keine Eröffungsveranstaltung. Keine Apple-Laptops, und seien da noch so viele Intel-Chips drinne! Schließlich hat der Sponsor Toshiba auch passable Modelle auf Lager. Derweil werkelt der Sponsor Avaya an den WLAN-Installationen in den Stadien, für die er vertraglich verpflichtet ist, eine Bandbreite zur Verfügung zu stellen, dass jedes unten am Rasen geschossene Foto in mindestens 20 Minuten online steht. Aber wo? In einer Hochsicherheits-Quarantäne-Queue auf einem Fifa-Server, weil die Verlage frühestens zweieinhalb Stunden nach Ende eines WM-Spiels Bilder im Internet veröffentlichen dürfen. Preisfrage: Wer hat in der Zwischenzeit Zugriff auf die Bilder? Richtig, Abteilung 23 darf antreten und nachsehen, ob nicht irgend ein Spitz- oder Sprengbube mit abgelichtet wurde. "Das Eckige ins Runde", das wäre ein passender Operations-Name für diese Art der Zielerfassung.

*** Wenn diese kleine Wochenschau der ungewichteten Nebensächlichkeiten erscheint, feiert die Wikipedia ihren Wikipedia Day, vulgo Geburtstag. Ein apartes Geburtstagsgeschenk kommt, wie im letzten WWWW geschrieben, aus Deutschland: Eine einstweilige Verfügung, den Namen Boris Floricic im lexikalischen Eintrag zum Hacker Tron zu verwenden. Wer immer die Idee hatte, so eine Verfügung durch die Welt zu schicken, hat die Eltern schlecht beraten. Natürlich entstehen mit einer solchen Aktion völlig ungefährliche Artikel, die die ollen Kamellen aufwärmen. Oder es werden besonders schiefe "Klarstellungen" mit einem Titel wie Wikipedia vs. Tron produziert. Dabei wird unter Juristen die Frage nach dem postmortalen Persönlichkeitsrecht nach dem Tode recht genau austariert. So bleibt die Frage, ob die Diplomarbeit und der Chipkarten-Hack das Werk eines der besten und kreativsten Hacker waren oder es sich einfach nur um einen unerfahrenen Datenreisenden handelte, der nicht begriff, welches Spiel mit ihm getrieben wurde. In beiden Fällen ist es mehr als genug Stoff, der ihn zu einer absoluten Person der Zeitgeschichte macht, mit allen Konsequenzen, zu denen eben ein Name gehört.

*** Unter diesem Gesichtpunkt sind Drohungen mit dem Pressekodex wirklich hirnverbrannt und hirnverbrannter noch die Idee, den "Fall Telepolis" (die erst richtig Boris Floricic schrieb und dann doch wieder abkürzte) vor den deutschen Presserat zu bringen, der sich mehrfach nicht für Online-Medien zuständig erklärt hat. Doch es geht noch hirnverbrannter, wenn die überlebenden Reste der unaussprechlichen Dotcomtöterei auftauchen und die Rächer der Enterbten spielen und gleich einmal die Marke "Floricic" anmelden, um ganz allein entscheiden zu können, wer die Marke benutzen darf. So kreiselt die Geschichte munter weiter, ist ein Ende nicht in Sicht: Auch Tron sollte schon einmal eine Marke werden. Lachen, bis das Lachen im Halse stecken bleibt ... ach, das hatte ich schon.

*** Und wo wir schon bei den unsinnigen Juristen sind, darf dieser Juristen-Text aus einer Abmahnung in Sachen der allgemein bekannten Werbekampagne "Du bist ein Kollateralschaden" nicht fehlen. Er handelt von einer wahrlich erschwerenden Sache, "dass durch die bildliche Einfügung einer Hundezeichnung der Eindruck erweckt wird, dass der dargestellte Hund entweder auf das Bildmotiv seine Notdurft verrichtet oder aber das Bildmotiv selbst ein von dem Hund selbst hergestellten Hundehaufen darstellen soll". Also, was ist, wenn es sich nicht um einen vom Hund gekackten Haufen handelt, sondern um eine künstlerische Leistung in olympischen Dimensionen?

*** Wirkliche Größe zeigt sich auch in der Kunst nur inside oder im Sprung nach vorn. Oder in der Verschlingung und im Schrei: Vor 500 Jahren wurde die Laokoon-Gruppe gefunden, die heute ein Symbol für die entsetzten Warnungen der Hohepriester des Macs zu sein scheint. Rechner, die mit Intel-Prozessoren waschechte Trojanische Pferde sind, und Schlangen, die keine Äpfel zum Anbeißen mehr verteilen, sondern reinstes Gift, meint der Orakelfrosch in seiner Prophezeihung Nummer 4. Ein inoffizielles OS X für den Rest der Welt, ohne Support, mit einer tapferen Wikitruppe von Mac-Evangelisten, das hat was. Aber wen interessieren schon Apple und die Volten seiner Jünger, die jetzt die ewiglich verteufelte Firma Intel so liebhaben müssen, dass sich Intel schon wieder beschwert, wenn die hohe Schule der Public Relations doch ganz woanders zu finden ist: Ich verbeuge ich mich hochachtungsvoll vor dem begnadeten PR-Berater, der einen Auftritt von Larry Ellison und Scott McNealy direkt gegen die Keynote von Steve Jobs postierte. Wenn es dazu noch um ein so begnadet uninteressantes Thema wie die Verlängerung einer Java-Freundschaft geht, dann ist das schon hohe Kunst. Da capo al fine!

Was wird.

Kunst kommt von Können. Freuen wir uns daher auf die WM, begreifen wir sie als einmalige Chance, bei Arbeit, Sport und Spiel Könnereien auszuprobieren, für deren Einführung es sonst Jahre gebraucht hätte. Freuen wir uns auf die 20.000 Briten, die zum festen Feiern kommen, natürlich mit glücklich lachenden Kindern, die auf der anderen Seite des Kanals den ganzen Unsinn biometrischer Verordnungen illustrierten. Malen wir uns eine Welt aus, in der alle Menschen beim Grenzübertritt herzhaft lachen, über Grenzen, Nationalstaaten und dergleichen, eine Lachbildbelehrung für Terroristenjäger und Verschwörungstheoretiker gleichermaßen.

Und freuen wir uns mit den Bürgern von Darmstadt, der Heimatstadt großer Geister wie Büchner und vowe, die dem Darmstadtium generös den Namen überließ, als Wixhausen etwas anrüchig erschien. Denn in Darmstadt veranstalten sie für die Darmstädter am 17. Januar einen Tag in der Zukunft im Land der Ideen, welchselbiges unser Deutschland ist. Natürlich werden die wackeren Darmstädter am Grenzübergang der Zukunft das Lachen nicht vergessen. Wie freut sich die Pressemeldung über das nachgezogene Weihnachten, komplett mit Fingerabdruck als Schlüsselersatz und mit selbst vorgenommenen Operationen: Vielleicht sollte man erstmal nur am Finger rumschnippeln, ehe man sich an den Verstand wagt. (Hal Faber) / (jk)