Löst Curiosity das Rätsel um die alten Viking-Daten?

Der gerade gelandete Mars-Rover Curiosity ist gut gerüstet, um nach Spuren von Leben auf dem Mars zu fahnden und damit an die Viking-Mission anzuknüpfen. Die NASA hängt dies nur nicht an die große Glocke, weil das Thema noch immer ein Politikum ist.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Niels Boeing

Der gerade gelandete Mars-Rover Curiosity ist gut gerüstet, um nach Spuren von Leben auf dem Mars zu fahnden und damit an die Viking-Mission anzuknüpfen. Die NASA hängt dies nur nicht an die große Glocke, weil das Thema noch immer ein Politikum ist.

Die erfolgreiche Landung des Mars-Rovers Curiosity ist gleich in dreifacher Hinsicht ein großes Ding. Der mobile Roboter ist, verglichen mit Sojourner (1997) und dem Paar Spirit/Opportunity (2004), ein wahrer Riese, die Mission kostet so viel wie keine zuvor, und das umfangreiche technische Equipment an Bord verspricht hochinteressante Forschungsergebnisse. Die von Budgetkürzungen und verschiedenen Pleiten gebeutelte NASA kann es also doch noch.

Bei allem Staunen über die neue Landetechnik und die Kosten ist die Mission aber aus einem anderen Grund bemerkenswert: Sie könnte zumindest teilweise an die alte Viking-Mission von 1976 anknüpfen. Die hatte man schon damals der Suche nach Lebensformen auf dem Roten Planeten gewidmet.

Die Ergebnisse der drei Bordexperimente waren jedoch widersprüchlich, so dass die NASA nach einigen Monaten auf die skeptische Linie einschwenkte und verkündete, man habe nichts gefunden. Seitdem wird über die Interpretation der Viking-Daten und die Fehler der Mission immer wieder erbittert gestritten. Das Thema "Leben auf dem Mars" wurde indes zum Politikum in der US-Raumfahrt. Dollar-Millionen ließen sich mit ihm nicht mehr locker machen. Die NASA war deshalb wohl so vorsichtig, die Suche nach Marsmikroben nicht explizit als Missionsziel herauszustellen.

Vor allem das Instrumentenmodul "Sample Analysis on Mars" (SAM) ist aber geeignet, entsprechende Hinweise zuf finden. Offiziell soll SAM nur helfen, die theoretische "Bewohnbarkeit" des Roten Planeten zu erforschen. Gilbert Levin, der 1976 für die Viking-Sonden das "Labeled Release"-Experiment konzipiert hatte, sieht SAM laut dem Raumfahrtmagazin Space.com jedoch als zweiten Anlauf, nach organischen Molekülen zu fahnden, die auf Leben im Marsboden hinweisen könnten.

1976: Die Sonde Viking 1 hat mit dem Greifarm gerade Bodenproben entnommen.

(Bild: NASA)

Für Levin könnte es eine späte Rehabilitierung sein. Levin war eine der zentralen Figuren des Dramas, das nach den Viking-Landungen folgte. Der Astrobiologe Dirk Schulze-Makuch hat es 2009 gemeinsam mit dem Wissenschaftsjournalisten David Darling in dem exzellenten Buch "We are not alone" nachgezeichnet, das sich wie ein Forschungskrimi liest. Schulze-Makuchs These: Die NASA hatte 1976 Spuren von außerirdischem Leben vor ihrer Nase. Doch Budgetbeschränkungen beim Bau der Versuchsgeräte, Unwissen und Eitelkeiten hätten schließlich dazu geführt, dass am Ende niemand die gefunden Spuren bestätigen wollte.

Das Labeled-Release-Experiment (LR) von Levin setzte eine wässrige Lösung aus organischen Molekülen ein, die das radioative Kohlenstoff-Isotop C-14 enthielt. Die Idee: Beträufelt man eine Bodenprobe mit der Lösung, würden eventuell vorhandene Mikroorganismen sie in ihrem Stoffwechsel verarbeiten – vorausgesetzt natürlich, dass ihre Biologie der irdischen gleicht. Die C-14-Atome könnten dann in den Gasprodukten des Stoffwechsels anhand ihrer Strahlung nachgewiesen werden. In einem zweiten Durchgang wurde die Bodenprobe auf 500 Grad Celsius erhitzt, um sie zu sterilisieren. Danach dürften auf keinen Fall C-14-Atome in der Atmosphäre der Versuchskammer nachzuweisen sein. Beides geschah. Nicht nur Levin war deshalb überzeugt, dass die Resultate mit Lebensformen zu erklären seien.

Die Interpretation geriet ins Wanken, als das teuerste Gerät an Bord der Viking-Sonden, der Gas-Chromatograph-Massenspektrometer (GCMS), keine Lebenszeichen finden konnte. "Der GCMS nahm die Rolle des Gerichts ein", schreiben Schulze-Makuch und Darling. Die NASA folgte schließlich dem Urteil des Apparats. Und das offizielle Ergebnis lautete fortan: Wir haben nichts gefunden.

Dabei war die LR-Anordnung eine Million Mal empfindlicher als der GCMS - was auch dessen Konstrukteure anerkannten. Nicht unerheblich für das finale Urteil dürfte laut Schulze-Makuch und Darling wohl gewesen sein, dass der Ingenieur Levin ein Quereinsteiger im Viking-Team war. Die Gruppe hinter dem GCMS wären hingegen"career academics", die mit einem vorschnellen positiven Befund ihre Laufbahn gefährdet sahen.

Die Defizite des GCMS wurden erst viel später bestätigt. Dabei stellte sich auch heraus, dass die damaligen Kontrollexperimente mit dem Equipment in der Atacama-Wüste und in der Antarktis - zwei Gegenden, deren Lebensfeindlichkeit den Marsverhältnissen am nächsten kommen – nicht aussagekräftig waren. Das GCMS hatte dort nämlich keine Anzeichen von Leben gefunden. Heute weiß man, dass auch diese Böden voller Mikroben sind.

Das SAM-Modul im Mars-Rover Curiosity ist nun technisch viel weiter entwickelt als die damaligen Geräte. Es enthält einen Quadrupol-Massenspektrometer (QMS), einen Gaschromatographen (GC) und einen einstellbaren Laserspektrometer (TLS). Alle drei Instrumente werden zuvor erhitzte Bodenproben auf ausgedünstete organische Bestandteile untersuchen, unter anderem auf Kohlenstoff-Isotopen-Verhältnisse (mit dem TLS, dessen Empfindlichkeit 2 parts per billion beträgt) und auf Aminosäuren. Gilbert Levin erhofft sich zudem, dass der Mars Hand Lens Imager an Bord von Curiosity hochauflösende Bilder von farbigen Gesteinsflecken machen kann, die er als Indiz für mögliche flechtenartige Gewächse sieht.

2012: Auch Curiosity wird mit dem Greifarm Bodenproben entnehmen (Illustration).

(Bild: NASA)

Der NASA und allen, die sich für Astrobiologie interessieren, stehen mit dem neuen Mars-Rover spannende Monate bevor. Bedauerlich ist nur, dass die NASA bei dem enormen Budget nicht noch einmal eins der alten Viking-Experimente in verbesserter Form mit an Bord genommen hat. Levin ist dennoch zuversichtlich. Wenn mit den Curiosity-Geräten keine organischen Spuren gefunden würden, wäre dies für ihn "ein größeres Wunder als die Bestätigung von Leben auf dem Mars", sagte er Space.com. (nbo)