Personalisierte Genfahndung

Ein US-Startup will mit Hilfe der Daten aus dem Krebsgenom-Atlas seltene Mutationen finden, um effektivere Medikamente zu entwickeln.

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Von
  • Susan Young

Ein US-Startup will mit Hilfe der Daten aus dem Krebsgenom-Atlas seltene Mutationen finden, um effektivere Medikamente zu entwickeln.

In der Krebsbekämpfung versucht die Medizin zunehmend Wirkstoffe einzusetzen, die zu den genetischen Eigenarten von Tumoren passen. Allerdings gehen die Stoffe bislang nur die verbreiteten Genmutationen an, die für die Entstehung von Krebs verantwortlich sind. Dabei handelt es sich entweder um bekannte Onkogene, Gene, die eine Zellart unkontrolliert wachsen lassen, oder um Tumorsuppressoren. Diese Gene bilden normalerweise Proteine, die den Zelltod auslösen. Sind sie defekt, führen sie ebenfalls zu Zellwucherungen. Das Startup H3 Biomedicines will diesen Ansatz nun weiter treiben, indem es Medikamente entwickelt, die von vornherein auf seltene genetische Veränderungen in eng umgrenzten Patientengruppen ausgerichtet sind.

Hierfür nutzt es neue Gensequenzen von Tumoren, die von den US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH) im so genannten Krebsgenom-Atlas sowie vom International Cancer Genome Consortium veröffentlicht worden sind. Die Firma hat die ersten 3000 Krebsgenome in dem Atlas auf Mutationen untersucht, die nur bei einem bis zehn Prozent von verschiedenen Tumorarten vorkommen. Die bisher bekannten Onkogene und Tumorsuppressoren treten viel häufiger auf. Die selteneren genetischen Veränderungen, die H3 Biomedicines jetzt identifiziert hat, „sind hingegen fast alle neuartig“, sagt Markus Warmuth, CEO des Start-ups.

Für die Pharmaindustrie bedeute dies, dass die Zeit der Blockbuster-Medikamente zu Ende gehe. Denn es gebe keine unentdeckten Gene mehr, die beispielsweise 50 Prozent aller Brustkrebstumore oder 65 Prozent aller Lungenkrebstumore auslösen, sagt Warmuth. „Die Daten sprechen eine andere Sprache.“

Dafür haben Biomediziner zuletzt eine andere interessante Entdeckung gemacht: Ein und dieselbe Mutation kann auch in Tumoren unterschiedlicher Organe, also in unterschiedlichen Krebsarten, vorkommen. Die relativ seltene Mutation, die H3 Biomedicines angehen will, tritt etwa in einigen Arten von Hautkrebs, Brustkrebs und Leukämie auf. Auf diese Weise könnte das Startup die Anwendungsbreite seines Wirkstoffs wieder vergrößern. So könnte sich dessen Entwicklung am Ende wieder rechnen.

Der neue Ansatz bringt jedoch eine Schwierigkeit mit sich: geeignete Probanden für klinische Versuche zu finden. Bisherige Studien hätten zu häufig unbrauchbare Ergebnisse ergeben, weil die Versuchspersonen nicht die Gene hatten, die auf den getesteten Wirkstoff überhaupt reagieren konnten, sagt Kevin Dalby von der University of Texas in Austin. „Wenn man jedoch weiß, wonach man sucht, kann man die Population sorgfältiger auswählen, was wiederum die Chance für einen erfolgreichen klinischen Versuch erhöht“, sagt der Chemiker.

H3-Biomedicines-Chef Warmuth ist zuversichtlich, die richtigen Probanden zusammen zu bekommen, weil die Kosten für Gensequenzierung in den letzten Jahren drastisch gefallen sind. Inzwischen könnte man die Tumorgene von Krebskranken analysieren und die Ergebnisse in eine Datenbank stellen, auf die Pharma-Unternehmen Zugriff haben. „Die könnten dann proaktiv auf Patienten zugehen und fragen, ob sie an einer Studie teilnehmen wollen, die auf bestimmte genetische Veränderungen abzielt“, sagt Warmuth.

(nbo)