Software zu schlau für die Bronzemedaille

Wie bei Olympia zu sehen, können Softwarefehler auch dazu führen, dass Sportler keine Medaille bekommen. Obwohl: Softwarefehler sind das bestimmt nicht.

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Nicolai Josuttis

Manch einer mag jetzt bei Olympia das Drama um die falsche oder verlorene Weite beim Hammerwurf von Betty Heidler mitbekommen haben. Obwohl ihr fünfter Wurf deutlich sichtbar über 77 Metern lag, wurde kein Messergebnis angezeigt. Das endgültige Chaos brach dann los, als die Weite der nächsten Werferin fälschlicherweise als Weite von Betty Heidler gewertet wurde.

Wenn man den Agenturmeldungen glauben schenken kann, dann war ein "Software-Fehler" schuld. Um zum Beispiel eine Meldung von Spiegel Online vom 11. August zu zitieren:

Das Drama um die deutsche Bronze-Hammerwerferin Betty Heidler ist laut Olympia-Organisatoren einem Zufall und einem Software-Fehler geschuldet: "Es ist passiert, was bisher vermutlich noch nie passiert ist", sagte der Sprecher des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Mark Adams. Heidlers fünfter Versuch sei mit 77,13 Metern auf den Zentimeter exakt so weit gewesen, wie der vierte Versuch der späteren Siegerin Tatjana Lysenko aus Russland. Das elektronische Computer-Messsystem habe die Annahme von Heidlers Weite daher verweigert. Die Anlage ist so programmiert, dass sie bei zwei exakt gleichen Messergebnissen hintereinander automatisch einen Fehler der Kampfrichter zugrunde legt.

Softwarefehler? Oder wie es in einigen Twitter-Meldungen hieß: Bug? Mit Sicherheit nicht, denn solch ein Verhalten muss programmiert werden. Es handelt sich also um einen Fehler in der Spezifikation, und zwar ein nicht seltener: Das System wurde "zu schlau" spezifiziert. Um möglichst perfekt zu sein, wollte man Eingabefehler ausschließen, ohne daran zu denken, dass der Fehler unter bestimmten Umständen gar kein Fehler ist.

Solche Fehler sind kein Einzelfall und laufen nicht immer so glimpflich ab, wie in diesem "Drama". Viel schlimmer erging es beispielsweise 1993 den Menschen im Lufthansa-Flug 2904: Als die Maschine bei der Landung wegen Seitenwind nicht richtig aufsetzte und zudem Aquaplaning dazu führte, dass die Räder am Boden noch durchdrehten, weigerte sich das Flugzeug, den Befehl zur Schubumkehr durchzuführen, weil das Flugzeug offensichtlich nicht gelandet sein konnte. Airbus war bekannt dafür, im Gegensatz zu Boeing "mitzudenken" und so den Piloten die Arbeit abzunehmen. Einer der Piloten und ein Passagier bezahlten dieses "Mitdenken" mit ihrem Leben.

Eine einfach Rückfrage wie "Bist du sicher?" hätte hier vermutlich schon geholfen. Feedback statt Interpretation ist also mitunter Gold, oder zumindest Bronze, wert. ()