WikiScanner durchsucht auch deutsche Wikipedia

Mit dem unter großem öffentlichen Interesse eingeführten Werkzeug lässt sich nun auch in der deutschen Version der Online-Enzyklopädie nachvollziehen, welche Firmen oder Organisationen anonyme Änderungen vornehmen.

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Von
  • Torsten Kleinz

Schlechte Nachrichten für PR-Beauftragte in Deutschland: Seit Freitagabend durchsucht der WikiScanner des US-Studenten Virgil Griffith auch den Datenbestand der deutschsprachigen Wikipedia. Damit kann jeder Internetnutzer bequem recherchieren, aus welchen Netzen von Firmen oder Institutionen die Einträge in der freien Onlineenzyklopädie anonym geändert wurden. Mit Hilfe der Suchmaschine wurden in den letzten Tagen zahlreiche Manipulationsversuche in der englischsprachigen Ausgabe der Wikipedia aufgedeckt.

Unter den Wikipedia-Sündern waren neben Mitarbeitern des US-Wahlmaschinenherstellers Diebold auch der US-Geheimdienst CIA und die Bundespolizei FBI. Die ständig neuen Enthüllungen haben inzwischen erste Konsequenzen: So wurde der Pressesprecher des US-Abgeordneten David Davis zu einem Nachhilfekurs in Ethik verpflichtet, nachdem bekannt geworden war, dass er unvorteilhafte Informationen über den Kongressabgeordneten Davis gelöscht hatte. Das australische Verteidigungsministerium sperrte nach einem Bericht des Sidney Morning Herald den Schreibzugriff für alle Mitarbeiter. Ein Sprecher des Vatikans wies unterdessen Verdächtigungen zurück, dass ein Mitarbeiter des Kirchenstaats die Biografie des irischen Sinn-Fein-Politikers Gerry Adams verändert habe. Über 1000 Personen könnten auf Computer des Kirchenstaates zugreifen, darunter auch die Nutzer der Bibliotheken und Archive.

In der deutschsprachigen Wikipedia wurde eine eigene Seite zum Sammeln "bemerkenswerter Beiträge" eingerichtet. Wirklich skandalöse Manipulationen finden sich dort bisher aber nicht: Zwar kamen aus dem Firmennetz von Brockhaus einige kindische Änderungen an Artikeln, die ursprünglichen Artikelversionen wurden aber von der Wikipedia-Community schnell wieder hergestellt. Dass auch politische Rivalitäten ihren Ausdruck in Wikipedia finden zeigen ein Eingriff aus dem Computer-Netz der SPD, durch den das politische Wirken des CSU-Generalsekretärs Markus Söder auf "die Rettung der Mainzelmännchen, Kruzifixe in Klassenzimmern und Ausgehverbote für Jugendliche" reduziert wird.

Der Geschäftsführer des Vereins Wikimedia Deutschland begrüßt den WikiScanner als Werkzeug für mehr Transparenz in der Wikipedia: "Die Wikipedia ist ein offenes Projekt und alle Artikel befinden sich in einem fortwährenden Überarbeitungsprozess. Dies sollten Leser bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit einzelner Artikel immer im Hinterkopf haben", erklärt Arne Klempert auf Anfrage von heise online. Der WikiScanner trage dazu bei, dass die Leser die Artikel richtig einschätzen könnten.

Der WikiScanner durchsucht die Datenbank der Wikipedia nach anonymen Beiträgen und gleicht die verwendeten IP-Adressen mit einem Verzeichnis der Eigentümer von IP-Netzen ab. Auf diese Weise können Interessenten schnell einen kompletten Überblick über die Wikipedia-Beiträge von Firmen und Organisationen bekommen. Wikipedia erlaubt zwar das Ändern von Artikeln ohne vorherige Anmeldung, speichert und veröffentlicht in diesem Fall aber die IP-Adresse des Autoren. Gemäß den Wikipedia-Regeln sollten Autoren nicht zu Artikeln beitragen, die sie selbst betreffen.

Dass auch die offene Kommunikation mit der Wikipedia-Community nicht immer einfach ist, mussten die Öffentlichkeitsarbeiter von Siemens erfahren. Nachdem bereits im Mai 2006 beschönigende Änderungen an dem Artikel über den damaligen Vorstandsvorsitzenden Klaus Kleinfeld aufgefallen waren, hatte der Konzern einen offiziellen Account eingerichtet, um in den Dialog mit der Wikipedia-Community treten. Nach teilweise heftiger Kritik einzelner Nutzer zogen sich die Siemensianer aber schon bald wieder aus der Online-Enzyklopädie zurück. Arne Klempert empfiehlt trotzdem, mit offenen Karten zu spielen: "Im Zweifel raten wir deshalb dazu, lieber erstmal auf der Diskussionsseite aktiv zu werden und nicht gleich in Artikel einzugreifen." (Torsten Kleinz) / (vbr)