Der Spion im E-Book

Das Start-up Hiptype hat eine Software entwickelt, mit der Verlage die Nutzung ihrer elektronischen Bücher zu Marketingzwecken überwachen können.

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Das Start-up Hiptype hat eine Software entwickelt, mit der Verlage die Nutzung ihrer elektronischen Bücher zu Marketingzwecken überwachen können.

Inhalteanbieter und Werbetreibende im Netz wissen mittlerweile sehr viel über den Konsumenten: Jeden Klick und jeden Linkweg können sie im World Wide Web nachverfolgen, sehen, was Nutzer besonders interessiert und ihre Angebote entsprechend ausrichten.

Für Verlage hingegen sind Leser oft unbeschriebene Blätter – und zwar selbst dann, wenn sie in elektronischen Büchern, E-Books, lesen. Einzige Anhaltspunkte für die Buchproduzenten: Sie können Verkaufszahlen messen und prüfen, wie ein neuer Titel in der Presse ankommt. Schließlich existiert noch die Möglichkeit, über Marktforschung und Fokusgruppen auf Ideen zu kommen, was den Kunden als nächstes interessieren könnte.

E-Book auf dem iPad: Mit Apple-Geräten funktioniert Hiptype bereits.

(Bild: Apple)

Das amerikanische Start-up Hiptype um die Jungunternehmer James Levy und Sohail Prasad will nun die Vorteile der Web-Statistik ins aufstrebende E-Book-Geschäft holen. Mit der Analysesoftware der Firma, die auf der Websprache JavaScript basiert, lässt sich aufdecken, wie Nutzer mit E-Books umgehen. Und das sehr genau: Wo beginnen sie zu lesen, wo brechen sie die Lektüre am häufigsten ab, welche Zitate tauschen sie mit anderen Nutzern aus. Selbst der Bereich im Buch, der sofort angesteuert wurde, nachdem der Kauf erfolgte, ist erfassbar. Auch eine Nachverfolgung, wann eine Kaufentscheidung fällt, ist möglich – die Hiptype-Technik kann selbst in kostenlosen Leseproben stecken.

Das Verfahren wird derzeit von einzelnen Verlagen getestet und läuft bereits im Apple iBookstore für iPad und iPhone, andere Lesegeräte dürften folgen. Amazons Kindle, der bislang erfolgreichste E-Book-Reader, bleibt allerdings derzeit noch außen vor, weil der E-Commerce-Riese hier den Zugang kontrolliert.

Statistik: Hiptype zeigt Verlage, wo Leser ein- und auch wieder aussteigen.

(Bild: Hiptype)

Die neue Software ist günstig: Selbstverleger können bereits für knapp 20 US-Dollar pro Buch und Monat bis zu 1000 Leser "messen" und grundlegende Daten erhalten. Das Tracking des ersten Buches ist kostenlos. Verlage zahlen etwas mehr: 100 Dollar in einem "Pro"-Paket für bis zu 500.000 Leser pro Titel. Darin enthalten ist ein Werbemanagement, falls der Buchproduzent neuartige Refinanzierungswege ausprobieren möchte. Außerdem lassen sich dem Leser automatisch neue Bücher offerieren – die Liste setzt sich aus seinen bisherigen Vorlieben zusammen, die Hiptype erfasst hat.

Problematisch an der neuen Buchanalyse bleibt das Thema Datenschutz: Während im Web die meisten Nutzer zumindest wissen, dass ihr Surfverhalten analysiert wird, dürfte der virtuelle Blick über die Schulter beim intimen Schmökern auf wenig Gegenliebe stoßen. Hiptype betont im Gegenzug, selbst auch nur anonymisierte Daten zu speichern und Nutzern zu erlauben, sich ganz aus dem Tracking zu verabschieden – letzteres geht allerdings nur nachträglich.

Kindle-Angebot: Noch sind Amazon-E-Books von Hiptype nicht trackbar. Der Anbieter selbst hat die Daten aber bereits.

(Bild: Amazon)

Die Netzbürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) sieht bei solchen "Opt-out"-Verfahren ein Problem. Allerdings sichern sich die Plattformbetreiber schon jetzt und auch ohne Hiptype-Tracking zahlreiche Reche an den Daten ihrer Nutzer, hat die Organisation bereits 2010 herausgefunden. Amazons beliebter Kindle darf so laut EFF drahtlos "Informationen über die Nutzung des Gerätes" an seine eigenen Server übertragen.

Das Gerät speichere außerdem, welche Produkte gelesen und welche Suchbegriffe verwendet wurden und verknüpfe sie mit dem Amazon-Account. Ebenfalls erfasst werde eine Liste mit allen jemals gekauften Werken. Der Konzern sichere sich außerdem zu, gesammelte Infos "zum Schutz eigener Rechte und derer anderer Parteien" zu nutzen. Der Kunde kann sich dabei nur aus bestimmten Marketing- und Werbeprogrammen zurückziehen, so die EFF.

Google Books, der Internet-Buchservice der Suchmaschine, hat ebenfalls erstaunlich viele Möglichkeiten zur Datenerfassung implementiert. So speichert der Dienst laut EFF nicht nur gelesene Bücher, sondern auch alle angeklickten Seiten. Suchdaten mit Internet-Protokoll-Adresse werden 18 Monate vorgehalten. (bsc)