Twittern verrät Persönlichkeitsstörungen

Wissenschaftler an der Florida Atlantic University versuchen aus Kurznachrichten Rückschlüsse auf Psychopathien zu ziehen.

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Wissenschaftler an der Florida Atlantic University versuchen aus Kurznachrichten Rückschlüsse auf Psychopathien zu ziehen.

140 Zeichen können verraten, ob Sie ein Narziss sind oder vielleicht eine andere Persönlichkeitsstörung haben. Das jedenfalls glauben Wissenschaftler an der Florida Atlantic University, die zusammen mit dem Datenanalyseunternehmen Kaggle und der Organisation Online Privacy Foundation aus den kurzen Botschaften von Twitter-Nutzern Rückschlüsse auf Psychopathien ziehen wollen.

Dazu wurden mehr als drei Millionen öffentliche Äußerungen von fast 3000 Usern aus 80 Ländern untersucht und semantische Modelle angelegt, die die Verwendung bestimmter Wortkombinationen mit psychischen Neigungen korrelierten. Dabei ging es um die sogenannte dunkle Triade, einen Querschnitt aus den Persönlichkeitsstörungen Narzissmus, Machiavellismus und antisoziale Persönlichkeit, aber auch andere Charaktereigenschaften wie Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extroversion, Verträglichkeit und Neurotik.

Twittern funktioniert auch mit der Spielekonsole Xbox.

(Bild: Microsoft)

Menschen, die in das psychologische Spektrum der dunklen Triade fallen, sollen sich durch ihre Worte verraten. Dazu gehört unter anderem eine aufgeregtere Sprache, die Verwendung besonders kräftiger Ausdrücke wie "ich hasse" oder der verstärkte Einsatz von Konjunktionen wie "weil", "so dass" oder "da ich". Menschen mit einer antisozialen Persönlichkeitsstörung sollen außerdem weniger flüssig tippen und auch Ersatzlaute wie "uh" oder "um" in ihren Tweets verwenden.

Ausgangspunkt der Untersuchung war eine Studie der Cornell University, die die Sprache kriminell gewordener Personenkreise auswertete. Dabei stellte sich heraus, dass diese häufiger über physische Bedürfnisse wie Nahrung, Sexualität oder Geld sprechen, während sich die Kontrollgruppe stärker sozialen Bedürfnissen widmete.

Die sogenannte "dunkle Triade" der Persönlichkeitsstörungen: Narzissmus, Machiavellismus, Psychopathie.

Bis zu 41 der untersuchten Twitterer könnten psychopathische Neigungen haben. Zum Nachweis wurden auch noch Persönlichkeitstests durchgeführt, die die entsprechende Spektrencheckliste Hare Psychopathy Checklist (PCL-R) verwendeten. Das Ergebnis sei "eine Zahl statistisch signifikanter Verbindungen zwischen den dunkleren Charakterzügen und der Twitter-Aktivität der Nutzer", so Studienleiter Randall Wald. Auch die Einstellung der User zum Thema Datenschutz habe stets mit der Persönlichkeit zu tun. Bei der Auswertung wurden Algorithmen aus dem Bereich des maschinellen Lernens verwendet, um aus der Twitternutzung ein Charakterbild abzuleiten. Der Datenanalysespezialist Kaggle arbeitete mit über 100 Entwicklern zusammen, die 1000 unterschiedliche Modelle bauten.

Neben den Twitter-Botschaften selbst wurden auch andere Datenpunkte ausgewertet, etwa die Gesamtzahl der Tweets, Tweet-Wiederholungen und Antworten sowie der sogenannte "Klout"-Score, der den Vernetzungsgrad einer Person darlegen kann.

Rohdaten aus der Semantikanalyse der Forscher.

(Bild: Florida Atlantic University)

Die Forscher glauben, dass es in einem passenden Kontext durchaus möglich ist, die Persönlichkeit einer Person aus ihrem Social-Media-Verhalten mit einer vernünftigen Genauigkeit vorherzusehen. Das geht natürlich nur dann verlässlich, wenn auch genügend Daten zur Verfügung stehen. Ein Wenig-Twitterer gäbe nicht ausreichend Informationen preis, um aus seinen Botschaften einen Charakter zu konstruieren.

Da der Trend in der Bevölkerung aber allgemein dazu geht, soziale Medien immer stärker zu nutzen und dies zunehmend außerhalb geschlossener Benutzergruppen in aller Öffentlichkeit zu tun, ließe sich das Verfahren vermutlich bei einem großen Personenkreis anwenden. Die Forscher sehen entsprechend Gefahren für die Privatsphäre der Nutzer, wenn solche Technologien einmal weitere Verbreitung finden sollten. Angeblich interessieren sich amerikanische Polizeibehörden bereits für solche Verfahren.

Allerdings gilt zu bedenken, dass es sich nur um Teile des Charakters einer Person handelt, nicht um ein vollständiges Bild. "Nur weil jemand hier eine hohe Punktzahl hat, heißt das noch nicht, dass es sich um einen Kriminellen handelt", kommentierte Chris Summer von der Online Privacy Foundation gegenüber dem Magazin "Forbes". Käme man auf die Idee, auf diese Art Verbrechen zu verhindern, "würde man vermutlich viele Leute fangen, die nichts tun würden". (bsc)