BKA-Chef: "Maximal zehn" Online-Durchsuchungen im Jahr

Jörg Ziercke erklärte erneut, der Bundestrojaner für Online-Durchsuchungen privater PCs werde als Software jeweils für den Einzelfall erarbeitet: "ein Unikat, das speziell auf die Rechner-Umgebung eines Verdächtigen zugeschnitten wird".

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Von
  • Jürgen Kuri

Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, hat die Debatte über die umstrittenen Online-Durchsuchungen privater Computer als "Angstmacher-Diskussion, die zu Verunsicherung führen soll" bezeichnet. Es gehe "schlicht und einfach um fünf bis maximal zehn solcher Maßnahmen im Jahr", sagte Ziercke dem Stern. Mehr sei nicht beabsichtigt und auch gar nicht möglich.

Ziercke sagte, der Aufwand für eine einzige Online-Durchsuchung sei beträchtlich, "weil wir jeweils eine eigene Software entwickeln müssen". Diese Software werde immer nur für den Einzelfall erarbeitet, "ein Unikat, das speziell auf die Rechner-Umgebung eines Verdächtigen zugeschnitten wird". Auf die Frage, wie diese Software auf den Computer eines Verdächtigen geladen werden solle, ob man etwa heimlich in Wohnungen eindringen oder Vertrauenspersonen finden müsse, die Zugang haben, antwortete Ziercke: "Da gibt es viele Möglichkeiten." Es sei aber auch möglich, "die Software online über das Internet auf den Computer aufzuspielen".

Um Missbrauch auszuschließen, "sollten wir darüber diskutieren, wie wir die Kontrollmechanismen verstärken", sagte Ziercke. Jede Genehmigung wäre zu befristen, über eine Verlängerung sollte erneut ein Gericht entscheiden. Auch eine datenschutzrechtliche Kontrolle müsse sichergestellt werden, ebenso die Benachrichtigung eines Betroffenen nach Abschluss der Maßnahme. Ziercke meinte zudem: "Wir wollen mit dem Instrument Online-Durchsuchung den internationalen Terrorismus bekämpfen und nicht den einzelnen User, der sich irgendwann einmal Musik aus dem Netz runtergeladen hat." Offene Durchsuchungs- und Beschlagnahmeaktionen seien "keine Alternative zur Online-Durchsuchung".

Die große Koalition sucht derzeit nach einer gemeinsamen Linie zur der von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) geforderten Online-Durchsuchung. Eine Arbeitsgruppe mit Experten aus Union und SPD befasst sich mit technischen Fragen. An diesem Freitag sollen strittige rechtliche Fragen erörtert werden. Schäuble will die heimlichen Online-Durchsuchungen zusammen mit der anstehenden Änderung des BKA-Gesetzes einführen. Koalitionspartner SPD zeigt sich da noch vorsichtig: "Wir stehen noch ganz am Anfang der Überlegungen", meinte der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz. Am Wochenende waren Antworten des Bundesinnenministeriums auf Anfragen des Bundesjustizministeriums und der SPD-Fraktion bekannt geworden, die nach Ansicht von Wiefelspütz noch zahlreiche ungelöste Fragen aufgeworfen haben. "Es gibt offenbar noch kein ausgereiftes Verfahren des BKA", hatte Wiefelspütz den Ausführungen des Innenministeriums sowie von Experten bei einer Anhörung zu dem Streitthema am Montag entnommen.

Das Bundesinnenministerium hatte unter anderem als eine Möglichkeit zur Installation des Bundestrojaners E-Mails an die Verdächtigen bezeichnet: "Die Einbringung der RFS im Wege der E-Mail-Kommunikation kann je nach Einzelfall ein geeignetes Mittel darstellen", heißt es etwa in Stellungnahmen zu Fragen der SPD-Bundestagsfraktion und des Bundesjustizministeriums, nach der der Remote Forensic Software genannte Bundestrojaner schon weitgehend einsatzbereit erscheint. Das Risiko einer Entdeckung der komplexen Durchsuchung, die im Rahmen einer "Durchsicht" und der darauf folgenden eigentlichen Überwachung nach umfangreichen Vorfeldaufklärungen erfolgen soll, hält das Innenministerium für gering. Generell spricht das Innenministerium von einer "Vielzahl von Einbringungsmöglichkeiten, die auf Tauglichkeit für den jeweiligen Einsatz überprüft, ausgewählt und eventuell angepasst werden müssen".

Auch das Bundesinnenministerium spricht wie Ziercke davon, dass der Bundestrojaner auf die jeweilige Zielperson zugeschnitten werden soll: Vorbereitende Maßnahmen" sollen vorausgehen, in deren Rahmen "Erkenntnisse über das Nutzer- beziehungsweise Schutzverhalten der Zielperson erhoben und daraus die Vorgehensmethodik entwickelt" werden.

Einen ausführlichen Einblick in die jüngsten Ausführungen des Bundesinnenministeriums zu den Plänen für Online-Razzien und in die Antworten Schäubles auf den Fragenkatalog des Bundesjustizminsteriums sowie der SPD-Fraktion zur Online-Durchsuchung bieten Meldungen vom Wochenende im heise-Newsticker und ein Bericht in c't – Hintergrund:

Siehe dazu auch die Anmerkungen zur Online-Durchsuchung von BKA-Chef Jörg Ziercke und von Datenschützern auf der Datenschutz-Sommerakademie des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz am Montag dieser Woche:

Zu den Auseinandersetzungen um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(jk)