Perlentaucher gewinnt erneut gegen FAZ und Süddeutsche

Perlentaucher.de referiert die Feuilleton-Teile der größeren überregionalen Tageszeitungen. Die verkürzte Wiedergabe von journalistischen Beiträgen ist unter bestimmten Voraussetzungen urheberrechtlich zulässig, entschied nun das OLG Frankfurt/Main.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Die verkürzte Wiedergabe von journalistischen Beiträgen auf Websites ist unter bestimmten Voraussetzungen urheberrechtlich zulässig: Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main hat heute eine Berufung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und der Süddeutschen Zeitung gegen ein Urteil des Frankfurter Landgerichts zurückgewiesen [Az: 11 U 75/06 und 11 U 76/06]. Damit konnte sich die Rechtsauffassung des Online-Angebots Perlentaucher auch in der zweiten Instanz behaupten.

FAZ und Süddeutsche wollten verhindern, dass der Perlentaucher Buchrezensionen und Feuilletons aus Zeitungen in deutlich kürzerer Fassung veröffentlicht. Diese wurden von der Redaktion des Perlentauchers formuliert, enthielten aber auch einzelne Zitate und Passagen aus den Originalkritiken. Für diese Zusammenfassungen erteilte der Perlentaucher auch Internet-Buchhandlungen Lizenzen zum Abdruck. FAZ und Süddeutsche strebten daraufhin ein generelles Verbot derartiger Abstracts an. Damit wollten sie Abstracts mit Originalzitaten sowie bestimmte einzelne Abstracts untersagen.

Das deutsche Urheberrecht erlaubt das Zitieren unter der Vorgabe, dass dieses in eine eigene Wertschöpfung eingebunden wird. Eine eigene Wertschöpfung könnte darin bestehen, dass der Autor die zusammengefasste Rezension zusätzlich bewertet. Der Perlentaucher bewertet jedoch nicht, sondern fasst nur zusammen. Insofern ging es bei dem Urteil nicht nur darum, in welcher Form zulässigerweise zitiert werden darf, sondern auch darum, inwieweit Zusammenfassungen und Abstracts als eigenständige Wertschöpfung begriffen werden.

Das Gericht schreibt nun in seinem heute veröffentlichten Urteil, dass ein generelles Verbot von Abstracts schon deshalb nicht ausgesprochen werden könne, "weil die öffentliche Beschreibung des Inhalts eines Werkes nach dessen Veröffentlichung grundsätzlich jedermann zustehe, soweit es sich dabei nicht um eine unzulässige Bearbeitung des Originals, hier also der Originalrezension, handele". Es komme darauf an, ob das Abstract gegenüber dem Original einen eigenständig schöpferischen Gehalt habe, obwohl das besprochene Original in seinen wesentlichen Gedanken mitgeteilt wird. In der Komprimierung selbst könne bereits eine eigenständige schöpferische Leistung liegen. Je weiter sich dabei das Abstract vom Aufbau des Originalwerkes entferne, desto größer sei die Individualität.

Hinsichtlich der verwendeten Zitate heißt es in dem Urteil, dass es nicht ohne Bedeutung sei, "in welchem Umfang der Abstract-Verfasser Passagen aus dem Original wörtlich oder fast wörtlich übernimmt". Dabei müsse die wörtliche Übernahme rein deskriptiver Begriffe außer Betracht bleiben, weil dem Abstract-Verfasser insoweit kein Gestaltungsspielraum zu Gebote stehe.

Perlentaucher-Chefredakteur Thierry Chervel sagte zu dem Urteil gegenüber heise online: "Unsere Abstracts waren für uns immer Berichterstattung über Berichterstattung. Insofern müssen sie den gleichen Kriterien unterliegen wie andere journalistische Beiträge auch." Nachdem die Verlage von FAZ und Süddeutsche nun bereits in zweiter Instanz verloren haben, darf man gespannt sein, ob sie erneut in Revision gehen werden. Einer Revision der Gegenseite sehe der Perlentaucher, meinte Thierry Chervel, aber "gelassen" entgegen.

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(Christiane Schulzki-Haddouti) / (jk)