EU-Bibliotheksrat will vergriffene und verwaiste Werke zugänglich machen

Werke, deren Urheber nicht mehr auffindbar sind (verwaiste Werke), sollen sowohl nicht-kommerziell als auch kommerziell verwendbar werden; für vergriffene Werke soll eine Lizenz die Digitalisierung und Bereitstellung in Bibliotheken ermöglichen.

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Von
  • Monika Ermert

Der von der EU-Kommission vor gut einem Jahr im Rahmen der Initiative Digitale Bibliotheken" neu eingesetzte EU-Bibliotheksrat legte in Brüssel Vorschläge für die digitale Konservierung urheberrechtlich geschützter Werke und eine Modell-Lizenz für den Zugang zu vergriffenen Werken vor. Werke, deren Urheber nicht mehr auffindbar sind – die so genannten verwaisten Werke –, sollen sowohl nicht-kommerziell als auch kommerziell verwendbar werden, nachdem die potenziellen Nutzer gewissenhaft versucht haben, den Rechteinhaber ausfindig zu machen, heißt es im Bericht einer Arbeitsgruppe Urheberrecht des Bibliotheksrates.

Auch eine kommerzielle Verwertung von verwaisten Werken soll dann möglich sein. Während verschiedene nationale Lösungen für das aus Sicht der Bibliotheken drängende Problem dieser verwaisten Werke möglich seien, empfiehlt der Bibliotheksrat, auf die Kompatibilität und übereinstimmende Grundprinzipien zu achten. Der Kommission legen die Experten nahe, eine Empfehlung zu den Grundprinzipien zu veröffentlichen. Nach Ansicht des Bibliotheksrats sollte dabei unter anderem klar definiert werden, was unter "gewissenhafter Suche" zu verstehen ist und wann ein potenzieller Nutzer diesem Anspruch genüge getan hat.

Spezielle Datenbanken zu den verwaisten Werken sollen für mehr Transparenz sorgen. Sollte ein Rechteinhaber eines als verwaist angenommenen Werks doch noch auftauchen, müsse er die Möglichkeit haben, das Werk aus einer solchen Datenbank herausnehmen zu lassen und eventuell im Nachhinein auch Lizenzgebühren zu fordern. Regelungen der Mitgliedsstaaten sollten im Übrigen EU-weit anerkannt werden, sodass als verwaist erklärte Werke in der gesamten Gemeinschaft genutzt werden könnten.

Auch bei der Modell-Lizenz für vergriffene Werke hat der Bibliotheksrat die Möglichkeit vorgesehen, dass der Rechteinhaber nachträglich die erteilte Lizenz wieder zurückziehen kann – zum Beispiel, wenn er ein Werk neu auflegen und also selbst erneut kommerziell verwerten will. Bis dahin erlaubt er laut der vorgelegten Modell-Lizenz den Bibliotheken und Archiven allerdings die Digitalisierung und Zugänglichmachung für Nutzer und eventuell auch andere Bibliotheken gegen eine vereinbarte Lizenzgebühr. Allerdings darf das entsprechende Werk nur im geschlossenen Netz der Bibliothek zur Verfügung gestellt werden, nicht also völlig frei übers Internet. Rechte und Pflichten der Bibliotheken sind in dem zehnseitigen Entwurf der Modell-Lizenz haarklein geregelt. Sie müssen dem Rechteinhaber beispielsweise eine neu erstellte digitale Kopie eines Werkes überlassen und auch den Zugriff auf das Werk im System der jeweiligen Bibliothek.

Zur Bewahrung kultureller Inhalte im digitalen Zeitalter schlägt der Bibliotheksrat außerdem vor, dass Bibliotheken digitale Versionen von nicht mehr erhältlichen Werken aus ihrem Bestand allein zu Konservierungszweck anfertigen dürfen. Dabei sollen, anders als bisher üblich, Folgekopien in anderen Formaten angefertigt werden dürfen. Im Fall der Aufbewahrung rein digitaler und DRM-geschützter Werke seien die Nationalbibliotheken und Verleger übrigens übereingekommen, die DRM-Funktion für das Bibliotheksexemplar zu deaktivieren, heißt es im Bericht. Insgesamt war man die Arbeitsgruppe sehr um für die Rechteinhaber akzeptable Kompromisse bemüht. Vertragliche Regelungen zieht man laut dem Bericht möglichen gesetzlichen Regelungen vor, da sie flexibler gestaltet werden könnten und unterschiedliche rechtliche Situationen in den Mitgliedsstaaten berücksichtigen könnten. (Monika Ermert) / (jk)