IFA

Fernseher: Mehr Bedienung, bitte!

Im Rahmen der DisplaySearch-Konferenz trafen sich Fernsehgerätehersteller mit App-Entwicklern und Fernbedienungsspezialisten. Sie diskutierten über die Zukunft des Smart-TVs, neue Abrechnungssysteme und die Möglichkeiten der Sprach- und Gestensteuerung.

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Mit Smart-TVs kann man längst mehr machen als nur Fernsehgucken: Video- und Musikdienste, Spiele, Informationen – alles möglich dank der Internetanbindung der neuen Fernseher. Dass sich durch die vielfältigen Möglichkeiten auch das Nutzerverhalten der Zuschauer verändert, liegt nahe. Was das für die Branche bedeutet, diskutierten Gerätehersteller und App-Entwickler auf der DisplaySearch-Konferenz im Rahmen der IFA in Berlin.

Ferdinand Maier, CEO des Österreichischen Universalfernbedienungsspezialisten Ruwido, bringt weitere Veränderungen auf den Punkt: Während sich die Zuschauer früher beim Fernsehgucken der Hausarbeit gewidmet haben, würden sie heute beim Krimi ihre sozialen Kontakte pflegen. Dass sie statt am Smartphone, Tablet oder Notebook am großen Fernsehgerät twittern oder Facebook besuchen, hält Maier allerdings für abwegig. Das große TV-Display sei schließlich ein öffentlicher Schirm, für die private Korrespondenz nutzten die Zuschauer lieber das Display ihres Mobilgeräts.

DisplaySearch-Konferenz_IFA (8 Bilder)

Paul Gray, DiIsplaySearch-Direktor für Europa, leitete die Diskussionsrunden beim Branchentreffen.

Anders als Maier, der das Fernsehgerät das Unterhaltungszentrum im Wohnzimmer definiert, sieht Adi Berenson von Human Interface-Entwickler PrimeSense den Fernseher lediglich als große Glasscheibe. Das Zentrum seien stattdessen die Inhalte, die – unter anderem – auf dem TV-Display wiedergegeben werden können und die künftig ausschließlich in der Cloud gelagert werden.

Die Diskussionsteilnehmer waren sich einige, dass die Art, wie man heute kostenpflichtige Inhalte auf den großen Schirm holt, Optimierungsbedarf birgt. Bei den Abrechnungssystemen herrschten derzeit Zustände wie im Wilden Westen, erklärte Albert Mombarg, Leiter der TV-Sparte von Philips/TPV. So verwende jeder TV-Hersteller und jeder Anbieter von Video-on-Demand-Diensten ein eigenes Abrechnungsverfahren. Für die Zuschauer sei das Ganze kaum mehr durchschaubar und provoziere ein Gefühl der Unsicherheit.

Auch Ashwin Navin, Gründer und CEO der TV-App-Schmiede Flingo, sieht hier Handlungsbedarf. Er ist allerdings der Meinung, dass sich mit Videodiensten ohnehin viel weniger Geld verdienen lässt als etwa mit Musik. Heruntergeladene Musikstücke höre man sich schließlich immer wieder an, einen Film sehe man dagegen nur ein oder zwei Mal. In den USA sei es sogar so, dass die meisten gekauften DVDs niemals angesehen, sondern als Sammlerstück unausgepackt ins Regal wandern würden. Navin möchte natürlich mit TV-Apps Geld verdienen, genauer gesagt mit in Apps eingebundener Werbung.

Navin glaubt sogar, dass die TV-Hersteller ihre Geräte in absehbarer Zeit deutlich unter Wert verkaufen werden und die Kosten stattdessen mit Werbung einfahren. Beim Leiter der Philips TV-Sparte, Albert Mombarg, weckte dieser Gedanke erstmal wenig Begeisterung. Auch Michael Lantz riet den TV-Herstellern, sich mit einem solchen Geschäftsmodell noch ein wenig Zeit zu lassen: Der CEO des TV-App-Systeme-Entwicklers Accedo erwartet, dass die aktuellen Systeme, bei der die Content-Anbieter über die Verwendung ihrer Inhalte bestimmen, noch mindestens zehn Jahre Bestand haben.

Für Filipo-Gründer Navin ist das allerdings undenkbar. Er meint im Gegenteil, dass die Inhalteanbieter nur dann erfolgreich sein können, wenn sie Tools zur Verfügung stellen, mit denen sich die Inhalte geräteübergreifend nutzen lassen. Wenn man sich nicht bald vom rein linearen Betrieb verabschiede, würden sich die jüngeren Zuschauer vom großen TV-Schirm verabschieden, ist sich auch PrimeSense-Vizepräsident Adi Berenson sicher. Er sieht die Smartphones als wesentliche Schnittstelle zwischen Zuschauer und Fernsehgerät.

Dass die aktuelle Bedienung der Smart-TVs Verbesserungspotenzial hat, darüber ist man sich in der Runde einig. Maier ist sicher, dass die Bedienung der Fernsehgeräte künftig das wesentliche Unterscheidungskriterium für die Hersteller sein wird. Apple habe gezeigt, welche bedeutende Rolle das User-Interface spiele. Dem konnte Navin Natoewal, General Manager von BG Media Interaction of Philips nur zustimmen. Für ältere Zuschauer sei es extrem hilfreich, wenn sie nicht erst das Licht anmachen und ihre Brille aufsetzen müssten, um die Beschriftung der kleinen Knöpfe auf der Fernbedienung entziffern zu können. Für Ferndinand Maier ist klar, dass es für jeden Zuschauerkreis unterschiedliche Bedienungsmöglichkeiten geben muss.

Adi Berenson von PrimeSense geht das Thema deutlich radikaler an: Er fordert intelligente Fernbedienungen, die den Zuschauer beobachten und dabei deren typisches Nutzerverhalten erlernen. Auch Gestensteuerung hält er für eine gute Lösung: Säßen mehrere Zuschauer vor dem TV-Schirm, solle jeder einen Teil des großen Schirms zugewiesen bekommen. Anschließend könne sich ein interessanter Wettbewerb entwickeln, wer letztlich die Bedienungshoheit erhielte. Maier hält von solchen Spielchen wenig, er sieht die Lösung des Bedienungsdilemma in einer Server-basierten Spracherkennung und -Steuerung.

Auf die Frage, wieviel Knöpfe eine Fernbedienung denn mindestens haben müsse, antwortete er folgerichtig, das sei egal – Hauptsache weniger als bisher. Auch Adi Berenson ist gegen Knopfsammlungen und fordert stattdessen den Einsatz von Sprache und Gesten zur TV-Bedienung. Derzeit sei man allerdings noch meilenweit von der idealen Gestensteuerung entfernt, räumte Berenson ein. Paul Scalan, Präsident von MobiTV, Anbieter von mobilen TV-Lösungen, findet Fernsehgeräte schon lange unbedienbar. Man habe sich einfach nur an die Misere gewöhnt und deshalb so lange still gehalten. Er ist überzeugt, dass sich in einigen Jahre rückblickend jeder darüber wundern wird, warum alle das so lange mitgemacht haben. (uk)