Copywrong: Absurde Welle von Video-Sperrungen ereilt Obama

Die Liste prominenter Opfer absurder Copyright-Anmaßungen in den USA wird immer länger. Nun hat es auch den Parteitag der Demokraten erwischt.

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Schneetreiben statt Video auf der Website des Democratic National Congress

Die Liste prominenter Opfer absurder Copyright-Anmaßungen in den USA wird immer länger. Dienstagabend hat es den Parteitag der Demokraten erwischt. Eine Aufzeichnung des ersten Tages der Veranstaltung ist auf YouTube blockiert. Damit ist auch auf den Webseiten des Parteitages, der Partei und von Obama selbst Sendepause. Sie alle hatten das YouTube-Video eingebunden.

Das Video ist eine gut sechs Stunden lange Aufzeichnung des Eröffnungstages des Parteitages und besteht hauptsächlich aus Reden. Statt des Videos war aber dieser Hinweis zu lesen: "This video contains content from WMG, SME, Associated Press (AP), UMG, Dow Jones, New York Times Digital, The Harry Fox Agency, Inc. (HFA), Warner Chappell, UMPG Publishing and EMI Music Publishing, one or more of whom have blocked it in your country on copyright grounds" ("Dieses Video enthält Inhalte von [lange Liste vermeintlicher Rechteinhaber], von denen einer oder mehrere es in ihrem Land unter Berufung auf Copyright blockiert haben.") Nach einiger Zeit wurde das Video für kurze Zeit freigegeben, um dann in den "Privates Video"-Modus zu springen.

Democratic National Convention 2012 (5 Bilder)

Kurzes Vergnügen

Der Parteitag der Demokraten: Das Video vom ersten Tag gab es nur kurze Zeit per Youtube zu sehen

Betroffen sind alle drei Versionen des Videos, die englische, die spanische und jene mit Untertiteln. Erste Versuche von heise online haben ergeben, dass die Sperre zumindest in den Vereinigten Staaten, Kanada, Deutschland und Österreich wirkt. Möglicherweise haben Administratoren der Demokraten das Video selbst in den Privatmodus geschaltet, um der Schande des andauernden Vorwurfs einer Urheberrechtsverletzung zu entgehen.

Auf der Veranstaltung soll US-Präsident Barack Obama zum offiziellen Kandidaten seiner Partei ernannt werden. Die damit verbundene Medienpräsenz ist wichtiger Bestandteil seiner Wahlkampagne. Welcher angebliche Rechteinhaber die Sperre des Videos verlangt hat, ist bisher nicht bekannt. Mehrere TV-Sender übertragen den Parteitag live. Falls sie ihre eigene Sendung in YouTubes Identifikations-System eingespielt haben, meldet dieses einen Treffer und weist das Originalvideo als mögliche Urheberrechtsverletzung aus. Ein unbedarfter oder auch ein böswilliger Mitarbeiter eines solchen Medienunternehmens könnte dann die Sperre erwirken.

YouTube stellt Medienunternehmen spezielle Zugänge zur Verfügung. Damit ist es möglich, sofortige Sperren zu erwirken. Alternativ kann mit einer Copyright-Behauptung auch Geld verdient werden, in dem das fremde Video mit Werbung versehen wird. Die Einnahmen werden dann zwischen YouTube und dem (angeblichen) Rechteinhaber geteilt.

Zu Unrecht einer Urheberrechtsverletzung Beschuldigte kommen nicht so schnell zu ihrem Recht. Sie können entweder den angeblichen Rechteinhaber bitten, seinen Fehler gegenüber YouTube einzugestehen. Dann schaltet YouTube das Video vielleicht manuell frei. Oder der Betroffene kann bei YouTube eine Gegendarstellung einreichen. Dann wartet YouTube zwei Wochen auf eine Antwort des angeblichen Rechteinhabers. Dieser kann beispielsweise ein Gerichtsverfahren einleiten oder seinen Anspruch zurückziehen. Vielleicht schaltet YouTube das Video dann manuell frei.

Für Obamas Wahlkampf wäre eine andauernde Sperre auf YouTube ein Rückschlag, doch stehen ihm wohl spezielle Kommunikationskanäle offen. Die Liste prominenter Opfer von "Copywrong" wächst jedenfalls. So hat beispielsweise die NASA regelmäßig mit der Sperre eigener Videos zu kämpfen, obwohl die steuerfinanzierten Werke grundsätzlich keinem US-Copyright zugänglich sind. Am vergangenen Wochenende wurde die Übertragung der Hugo Awards auf Ustream jäh gestoppt. (jk)