Gebrauchtsoftware: Ja, aber …

Ein Softwarehersteller kann mit urheberrechtlichen Mitteln nicht verhindern, dass sein Produkt auf dem Gebrauchtsoftwaremarkt auftaucht: Im Dauerstreit um sogenannte Gebrauchtlizenzen hat der Europäische Gerichtshof ein Ausrufezeichen gesetzt. Er stellt Software, die der Erstkäufer per Download bezogen hat, den auf Datenträgern ausgelieferten Programmen gleich. Für wen genau ist das nun ein Sieg – und bleiben den Softwareherstellern Auswege, um das ungeliebte Gebrauchtgeschäft doch noch auszuhebeln?

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Lesezeit: 17 Min.
Von
  • Georg Schnurer
Inhaltsverzeichnis

Der Rechtsstreit zwischen dem Datenbankriesen Oracle und dem Münchner Gebrauchtsoftwarehändler UsedSoft geht bis ins Jahr 2005 zurück. Damals wehrte Oracle sich zunächst erfolgreich dagegen, dass die UsedSoft GmbH Lizenzen für Client/Server-Software des US-Herstellers aus nicht mehr benötigten Volumenlizenzpaketen industrieller Anwender „gebraucht“ anbot. Dabei ging es nicht um den Verkauf von Datenträgern, die Gebrauchtkäufer erhielten auch keine Original-Urkunden von Oracle. Sie sollten sich ebenso wie die ursprünglichen Erwerber ihre Software vom Oracle-Server herunterladen. Von UsedSoft bekamen sie notarielle Beglaubigungen über Lieferscheine und Erklärungen der ursprünglichen Lizenznehmer überreicht: Die Erstkunden hätten bestätigt, Inhaber des Nutzungsrechts gewesen zu sein und den dafür fälligen Preis voll bezahlt zu haben, die Software aber nicht mehr zu nutzen.

Die Sache mit dem Download-Master

In mehreren Instanzen konnte Oracle sich unter Hinweis auf die Verletzung des urheberrechtlichen Verbreitungsrechts durchsetzen. Als entscheidendes Argument dabei erwies sich, dass das Softwarehaus seinen Kunden die Master-Exemplare seiner Client/Server-Software nicht wie früher meistens üblich auf Datenträgern, sondern per Download überlassen hatte.

In seinem viel zitierten sogenannten OEM-Urteil aus dem Jahr 2000 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) Softwareherstellern zwar die Möglichkeit abgesprochen, mit urheberrechtlichen Mitteln Einfluss auf den weiteren Weg einmal in den Handel gebrachter Software-Exemplare zu nehmen. Die in § 69c Nr. 3 S. 2 des deutschen Urheberrechtsgesetzes (UrhG) verankerte sogenannte Erschöpfung des Verbreitungsrechts, mit der das Gericht dies begründete, hatte sich aber stets auf konkrete „Vervielfältigungsstücke“ bezogen.

Der Gebrauchtsoftware-Händler hat überraschend deutliche Rückendeckung aus Luxemburg bekommen. Dennoch bleiben unterm Strich viele Fragezeichen.

So etwas liegt bei Download-Software nicht vor. Ein berechtigter Nutzer darf die Master-Software von einem Download-Server auf seinen eigenen Firmenserver kopieren oder auch auf eine CD/DVD brennen; das ist zur bestimmungsgemäßen Nutzung der Software respektive zu deren Sicherung nötig. Eine Weitergabe dieser Materialien ist dadurch jedoch nicht automatisch abgedeckt.

Die gerichtliche Auseinandersetzung, die mit einer von Oracle erwirkten einstweiligen Verfügung begonnen hatte, sorgte mit ihren zahlreichen Etappen für immer neue Schlagzeilen in Wirtschafts- und IT-Presse. Schließlich lehnte das Oberlandesgericht (OLG) München 2008 eine Übertragung des Erschöpfungsgrundsatzes auf die per Download-Master ausgelieferte Oracle-Software ab und bestätigte damit die Entscheidung der Vorinstanz von 2007. UsedSoft legte dagegen Revision ein; so landete der Fall schließlich beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Der wiederum ließ sich Zeit und mochte die Sache auch nicht ohne Rückfrage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) entscheiden: Die Frage nach der Interpretation des Erschöpfungsgrundsatzes berührt europäisches Recht, genauer gesagt die 2009 verabschiedete Änderung der sogenannten Computerprogramm-Richtlinie von 1991.