Staatstrojaner: Schaar konnte Quellcode nicht prüfen, hält an Kritik fest

Der Bundesdatenschutzbeauftragte wollte den Trojaner zur Quellen-TKÜ durch staatliche Stellen in Augenschein nehmen - bekam den Programmcode aber nie zu Gesicht, wie der CCC berichtet. Schaar bekräftigte seine massive Kritik an dem Staatstrojaner.

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Von
  • Jürgen Kuri

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat die von Ermittlungsbehörden eingesetzte Trojaner-Software zur Überwachung von Computern nicht im Detail analysieren können und hält an seiner kritischen Bewertung fest. Das geht aus einem Schreiben Schaars an den Innenausschuss des Deutschen Bundestages hervor, das dem Chaos Computer Club (CCC) zugespielt wurde. Schaar schloss nun seine Bewertung der Überwachungssoftware ohne eine Prüfung des Programmcodes ab. Eine Sprecherin Schaars nahm dazu bislang nicht Stellung.

Der Hersteller der Software habe "den Zugang von vertraglichen Abreden abhängig" gemacht, "die ich nicht akzeptieren kann", heißt es in dem Brief mit Datum vom 14. August. Schaar hatte bereits Ende Januar dem Innenausschuss des Bundestags einen Bericht vorgelegt, wonach die Trojaner-Software die Datenschutzanforderungen nicht erfüllt. Schaar hatte in seinem Bericht auch daran erinnert, dass das Bundesverfassungsgericht gefordert hat, bei heimlichen Überwachungen den Kernbereich privater Lebensgestaltung zu schützen. Das aber werde missachtet.

Der CCC kritisiert, dass die Absicherung des Datenaustauschs zwischen Trojaner-Software und dem Kontrollcomputer der Behörden "in Anfängermanier zusammengestoppelt" sei. "Damit wird weiterhin in Kauf genommen, daß staatliche Trojaner nicht effektiv kontrolliert und somit auch von Dritten zur Ausspähung und Manipulation von Daten benutzt werden könnten", erklärte CCC-Sprecher Dirk Engling.

Dem Schreiben Schaars zufolge hatten sich das Bundesinnenministerium und das Bundeskriminalamt zwar bemüht, den Quellcode der Überwachungssoftware vom Hersteller DigiTask zu besorgen. Die Einsicht sei jedoch an der Forderung von DigiTask nach einer Geheimhaltungsvereinbarung gescheitert. Außerdem habe die Firma für "Consulting-Dienstleistungen" 1200 Euro pro Tag und Mitarbeiter verlangt. Das BKA wollte demnach diese Kosten nicht allein übernehmen, sondern sich nur "allenfalls anteilig beteiligen". "Daher ist es mir im Ergebnis nicht möglich, den Quellcode zur datenschutzrechtlichen Kontrolle zu sichten", heißt es in dem Brief weiter. Der CCC kritisiert, dass durch die Ansinnen von DigiTask eine unabhängige Beurteilung durch den Datenschutzbeauftragten faktisch verhindert wurde: "Hier zeigt sich das Erpressungspotential durch das Outsourcen von hoheitlichen Aufgaben an private, keiner effektiven Kontrolle unterliegenden Firmen."

Der Staatstrojaner wird vor allem zum Abhören von verschlüsselten Telefonaten über das Internet (Quellen-TKÜ) verwendet. Der Chaos Computer Club wirft den Verantwortlichen vor, die Software könne mehr als sie dürfe, und sie hinterlasse auf dem Computer des Betroffenen Sicherheitslücken, die Dritte ausnutzen könnten. Kritisiert wurde vor allem eine Nachladefunktion, mit deren Hilfe die Überwachung des Computers nach CCC-Angaben bis hin zur verfassungsrechtlich äußerst sensiblen Online-Durchsuchung, also der Durchsuchung der Festplatte, ausgeweitet werden könne.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte den Einsatz der Trojaner für den Bund verteidigt. Auch die Länder hätten die Grenzen dessen, was zulässig sei, nicht überschritten. Der Minister wies insbesondere den Verdacht zurück, die Beamten spähten mehr Informationen aus, als sie dürften. Gleichwohl hatte er angekündigt, dass die Software künftig von einem Kompetenzzentrum beim Bundeskriminalamt (BKA) statt von einer privaten Firma entwickelt werden solle. Zuletzt hatte der bayerische Datenschutzbeauftragte nach einer Prüfung des Staatstrojaners gravierende Mängel bei der Telekommunikationsüberwachung moniert.

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(mit Material von dpa) / (jk)