Niederländische Big Brother Awards verliehen

Wegen ihrer umstrittenen Asylpolitik bekam die rechtsliberale Ministerin für Immigration und Integration, Rita Verdonk, am Wochenende in Amsterdam den Big Brother Award 2005 zugesprochen. Erstmals wurde aber auch ein "Positiv-Preis" verliehen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 56 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Peter-Michael Ziegler

Die niederländische Ministerin für Immigration und Integration, Rita Verdonk, ist am Wochenende in Amsterdam mit dem Big Brother Award 2005 bedacht worden. Ministerin Verdonk erhalte den Preis, weil sie zugelassen habe, dass vertrauliche Dokumente aus Asylverfahren an Behörden in den Heimatländern der Antragsteller übermittelt wurden. Im Parlament habe Verdonk diesen Sachverhalt zunächst wiederholt bestritten, später habe sie dann die Bedeutung der übermittelten Daten herunter gespielt, teilte die niederländische Datenschutz-Organisation Bits of Freedom mit. Für Asylsuchende, die in ihre Heimatländer abgeschoben werden, könne aber allein schon das Bekanntwerden von Asylanträgen zu lebensbedrohlichen Situationen führen. Der Fall Verdonk belege daher, wie wichtig Datenschutz für die Sicherheit von Menschen ist, hieß es weiter.

Die rechtsliberale Politikerin setzte sich in der Kategorie "Einzelpersonen" gegen Finanzminister Gerrit Zalm und den Journalisten Peter R. de Vries durch. Zalm verdankte seine Nominierung dem Vorschlag, Banken und anderen Geldinstituten den Zugriff auf eine neue Zentraldatenbank mit elektronischen Burger Service Nummern (BSN) zu gestatten, noch bevor ein entsprechendes Gesetz zur Einführung dieser Bürger-IDs überhaupt die beiden Kammern des niederländischen Parlaments passiert hat. Der Kriminalreporter Peter R. de Vries macht sich für die Etablierung einer zentralen DNA-Datenbank stark, in der die genetischen Informationen sämtlicher Niederländer gespeichert werden sollen. De Vries, eine Art holländischer Eduard Zimmermann, hatte im April 2005 die Partei PRDV (Partei für Gerechtigkeit, Tatkraft und Fortschritt) gegründet, seine politischen Ambitionen im Dezember aber wieder ad acta gelegt.

In der Big-Brother-Kategorie "Unternehmen" belegte Sony BMG den ersten Platz. Der Medienkonzern hatte mehrere Millionen CDs mit einem Kopierschutz versehen, der sich als gravierende Sicherheitslücke für Windows-Rechner entpuppte. Auf Platz zwei setzte die Jury das Konsortium Translink, das in den Niederlanden die Einführung einer einheitlichen Chipkarte für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel propagiert. Hinter Translink stehen die fünf größten öffentlichen Transportdienstleister im Land sowie der niederländische Verband zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen, Brein. Mit dieser Nominierung wolle man auf das zunehmende Ungleichgewicht zwischen Urheberschutz und dem Recht auf freie Information hinweisen, erklärte die Jury.

Das von der EU-Kommission finanziell unterstützte Flevo-Krankenhaus in Almere wurde wegen seiner miserablen Datenschutzvorkehrungen in der Kategorie "Staatliche Einrichtungen" angeprangert. Dort habe man ein Projekt zur Vereinbarung von Patienten-Terminen über das Internet initiiert, es aber versäumt, eine wirksame Zugriffskontrolle zu implementieren, erläuterte Bits of Freedom. Die niederländische Regierung wurde wegen ihrer Pläne zum Aufbau einer nationalen Biometrie-Datenbank kritisiert, in der ab 2006 digitale Gesichtsbilder und Fingerabdrücke gespeichert werden sollen, die bei der Registrierung für neue, biometrisch gesicherte Reisepässe anfallen.

Erstmals seit Einführung der Big Brother Awards in den Niederlanden vor vier Jahren wurde mit dem Winston Award auch ein "Positiv-Preis" vergeben: Der Parlamentsabgeordnete und Informatik-Professor an Hollands ältester Universität Leiden, Hans Franken, erhalte den Preis wegen seines beharrlichen Widerstands gegen die Vorratsdatenspeicherung. Der Name der Preises wurde in Anlehnung an die Hauptfigur des Romans 1984, Winston Smith, gewählt. Smith widersetzt sich zunächst dem totalitären Herrscher von Ozeanien (Großer Bruder), wird später aber einer Gehirnwäsche unterzogen und kapituliert schließlich.

Siehe zu den Big Brother Awards in Deutschland:

in Österreich:

in der Schweiz:

in Australien:

in den USA: (pmz)