IHR-Konferenz in Berlin: Das Internet und die Menschenrechte

Wie kann ein offenes sicheres Internet helfen, die Menschenrechte auf der ganzen Welt zu verankern? Ein Resümee von der Konferenz "Internet and Human Rights" in Berlin.

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Von
  • Detlef Borchers

Anderthalb Tage diskutierten Aktivisten und Menschenrechtslobbyisten in Berlin auf der Konferenz "Internet and Human Rights", wie ein offenes und sicheres Internet helfen kann, die Menschenrechte auf der ganzen Welt zu verankern. Dabei kamen sehr unterschiedliche Vorschläge zur Sprache, die nun in Workshops erarbeit und dann einem Programm-Kommitee überreicht werden, das aus dem gesamten Material die "Berlin Policy Recommendations on the Internet and Human Rights" destillieren soll. Ob diese Empfehlungen in der internationalen Politik berücksichtigt werden, könnte Stoff für eine weitere Konferenz sein.

Die Konferenz "The Internet and Human Rights – Building a free, open and secure internet" fand im deutschen Außenministerium statt. In einer Diktatur war hier die Reichsbank untergebracht, in einer anderen die Parteizentrale der SED. Ein guter Ort für Widersprüchlichkeiten aller Art, die in den nach "Chatham House Rule" geführten Workshops zu Tage traten. So wurde darüber debattiert, welchen Anteil Facebook am arabischen Frühling hatte, während das Außenministerium am gleichen Tag parallel zu Westerwelles Rede die "diplomatische Vertretung im globalen Dorf" auf Facebook freigeschaltet wurde. Aktivisten aus Aserbaidschan berichteten von Räumungsaktionen in Wohnungen von Bloggern, die es wagten, den staatlich gelenkten Rummel um den Eurovision Song Contest zu kritisieren. Am gleichen Konferenztag wurde bekannt, dass Beamte des Bundeskriminalamtes Kollegen aus Weißrussland und Aserbaidschan in modernen Ermittlungsmethoden unterrichtet haben, unter anderem auch über Techniken zur Visualisierung von Personenbeziehungen.

Immerhin gestattete der gewählte halböffentliche Rahmen so manchen Schlagabtausch. Als ein hoher Beamter des Außenministeriums aufzählen wollte, mit welchen Maßnahmen Deutschland Demokratiebewegungen in aller Welt unterstützt, wurde er mit Verweis auf die deutsche Firma Gamma International ausgekontert. Deren Software, die zuletzt in Bahrain auftauchte und zuerst von Aktivisten des arabischen Frühlings bei der "Allgemeinen Staatssicherheit" in Ägypten gefunden wurde, zeigt das ganze Dilemma von Lawful Interception Software: Sie bietet einen Strauß von Überwachungsmöglichkeiten, die nach richterlichem Beschluss zum Einsatz kommen können – oder ohne jede Formalität durch einen Geheimdienst. Am Beispiel von Gamma entzündete sich im Workshop eine Debatte darüber, wo denn ein Unrechtsstaat anfängt. Es gebe eine Menge "grauer Staaten", die auf dem Weg zur Demokratie sind und in denen sich rechtsstaatliche Verfahren etablierten, lautete der Einwand eines Teilnehmers. Ihnen könne man daher keine Software oder Hardware vorenthalten, bis sie sauber seien.

Etliche Personen aus den berühmten "diplomatischen Kreisen" anderer Länder waren als interessierte Beobachter der Konferenz auf andere Weise skeptisch. Die neue digitale Strategie des Außenministeriums, sich den sozialen Netzwerken und anderen komischen Gebilden zu öffnen, könne auch als "Chapter 11" der klassischen Diplomatie gesehen werden, als Offenbarungseid, angesichts der Kommunikationsmöglichkeiten des Netzes ins Hintertreffen zu geraten. Der "zerfledderte Vogel" in Anlehnung an das Symbol der Friedensbewegung sei da sehr symbolisch, lästerte ein Teilnehmer.

Andere nutzten den vorgegebenen Hashtag #IHRBerlin, um auf Twitter recht ungeniert aus den Workshops zu berichten und dabei entgegen der Regeln die Twitter-Namen anderer Teilnehmer zu veröffentlichen. Vielleicht ein gefundenes Futter für Unrechtsstaaten, um ihr Wissen über aufmüpfige Bürger auszubauen? Wer weiß.

Nach der Grundsatzrede von Minister Westerwelle kam im offiziellen Teil Birgit Grundmann zu Wort, die
Staatssekretärin aus dem Justizministerium. Ihr Plädoyer für Anonymität und Verschlüsselung als Abwehrrechte des Bürgers gegen einen allzu wissbegierigen Start ist aus technischen Gründen nicht online, hätte aber eine größere Verbreitung verdient. So kann nur auf das gut gefüllte Collaboratory zum Thema verwiesen werden.

Im Rahmen der Menschenrechtsaktivitäten geht es im nächsten Schritt darum, die "Berlin Policy Recommendation on the Internet and Human Rights" zu entwickeln. Wie Konferenz-Chairman Wolfgang Kleinwächter zum Abschluss erklärte, wird am Montag auf der Website der Konferenz ein Kommentarraum geöffnet werden, in dem sieben Tage lang Vorschläge und Kommentare zum Thema eingereicht werden können. (uh)