Rundfunkgebühren: EU-Kommission stellt Verfahren gegen Auflagen ein

Brüssel hat eine Untersuchung der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eingestellt. Im Gegenzug müssen die Sender jetzt für mehr Transparenz sorgen.

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Wie erwartet hat die EU-Kommission das Beihilfeverfahren über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland eingestellt. Das teilte die Kommission am heutigen Dienstag in Brüssel mit. Auf der heutigen Kommissionssitzung wurde entschieden, die Untersuchung auf Basis eines bereits im Dezember gefundenen Kompromisses einzustellen.

Danach verpflichten sich ARD und ZDF zu Änderungen und mehr Transparenz, um den im EG-Vertrag verankerten Vorschriften zu staatlichen Beihilfen und deren Anwendung auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk künftig zu entsprechen. Die Sendeanstalten sollen öffentlich-rechtliche Aufgaben und kommerzielle Tätigkeiten klarer trennen. Insbesondere bei neuen Digitalprogrammen und den Online-Aktivitäten der Sender will die Kommission in Zukunft ein Auge darauf haben, dass kommerzielle Aktivitäten jenseits des öffentlichen Auftrags nicht mit Rundfunkgebühren querfinanziert werden. Zudem verpflichteten sich die Sender zu mehr Transparenz bei der Nutzung und Weitergabe von Sportrechten.

Die Untersuchung war aufgrund der von privaten Wettbewerbern eingereichten Beschwerden im März 2005 offiziell eingeleitet worden. Bereits 2003 hatte sich der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) in Brüssel beschwert. Das Gebührenaufkommen übersteige den für den öffentlichen Auftrag notwendigen Rahmen und werde auch für kommerzielle Aktivitäten genutzt, lautet der Vorwurf der Privaten, die eine Kürzung der Gebühren erreichen wollten. Auch böten die Onlinedienste der Sender längst mehr als programmbegleitende Informationen. Zudem befürchtet VPRT-Präsident Jürgen Doetz, dass die Digitalkanäle der Öffentlich-Rechtlichen zu Spartenkanälen ausgebaut werden könnten. Schon jetzt mache etwa die ARD mit EinsExtra den privaten Nachrichtensendern n-tv (RTL Group) und N24 (ProSiebenSat1) Konkurrenz.

Nach der heutigen Einstellung des Verfahrens fühlen sich alle als Sieger. Die Sendeanstalten freuen sich über die gewonnene "Rechtssicherheit" und gesicherte "Handlungsspielräume in der digitalen Welt", wie es ARD-Generalsekretärin Verena Wiedemann formulierte. EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes erklärte, die zukünftige Regelung stelle den öffentlich-rechtlichen Auftrag der Sender sicher und gewährleiste zugleich eine Begrenzung der öffentlichen Finanzierung "auf das wirklich notwendige Maß". Auch die Privaten sehen sich nicht als Verlierer. "Die EU-Kommission hat ARD und ZDF keinen Freibrief erteilt, sondern das Verfahren auf Bewährung eingestellt", kommentierte der VPRT-Chef den Brüsseler Brief.

Bereits in der vergangenen Woche war die anstehende Verfahrenseinstellung an die Medien durchgesickert; zunächst hatte es nach einem Sieg der Rundfunkanstalten ausgesehen. Allerdings bekräftigte die Kommission in ihrem Schreiben erneut ihre Auffassung, dass die derzeitige Finanzierungsregelung nicht mit dem EU-Beihilfenrecht vereinbar sei. Der ARD-Vorsitzende Fritz Raff begrüßte heute die Einstellung, "auch wenn wir uns gewünscht hätten, dass die Kommission der Rechtsauffassung der Länder gefolgt wäre und die Rundfunkgebühren nicht als Beihilfen behandelt hätte". Gleichzeitig warnte Raff, die Forderungen der Kommission gingen "an die Grenzen dessen, was im Rahmen der Rundfunkfreiheit nach unserer Verfassung an Zugeständnissen möglich" sei.

Der im Dezember mit Brüssel ausgehandelte Kompromiss gibt Deutschland jetzt zwei Jahre Zeit, sein öffentliches Rundfunksystem auf ein EU-konformes Fundament zu stellen. "Dazu gehört insbesondere eine Präzisierung der Definition des öffentlich-rechtlichen Auftrags", erklärt Doetz. Die EU-Kommission will den Auftrag "durch verschiedene Vorgaben für neue Mediendienste weiter konkretisiert" sehen, heißt es in dem Brief. Die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten solle auf das Maß beschränkt werden, das zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags erforderlich sei, fordert Brüssel weiter und will Umsetzung und Einhaltung der Auflagen künftig überwachen. Auch der VPRT wird den Anstalten mit Argusaugen auf die Finger schauen und notfalls wieder in Brüssel vorstellig werden.

Jetzt ist es Aufgabe der Länderparlamente, den Programmauftrag der Öffentlich-Rechtlichen zu präzisieren. Der Bund und die Bundesländer haben jetzt zwei Wochen Zeit, zu dem Schreiben der EU-Kommission Stellung zu nehmen. In der 2008 und 2009 anstehenden Neufassung des Rundfunkstaatsvertrags müssen die Brüsseler Bedingungen berücksichtigt werden. Jetzt blicken Medienbranche und Politik gespannt nach Karlsruhe. Am 2. Mai wird dort vor dem Bundesverfassungsgericht die Beschwerde von ARD, ZDF und dem Deutschlandradio gegen das Verfahren zur Gebührenfestsetzung verhandelt. Die Öffentlich-Rechtlichen beklagen eine Verletzung ihrer Rundfunkfreiheit durch die Länder, weil diese bei der Reduzierung der letzten Gebührenerhöhung den Empfehlungen der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) nicht ganz gefolgt waren. Von den Karlsruher Richtern wird ein Grundsatzurteil zur Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen erwartet. (vbr)