Abgeltungsanspruch gilt unbefristet

Gekündigte Arbeitnehmer können die Abgeltung ihres Urlaubs verlangen und zwar für die letzten drei Jahre. Für die bisherige Befristungspraxis sieht das Bundesarbeitsgericht keinen Grund.

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Von
  • Marzena Sicking

Diese Regel kennt jeder Arbeitnehmer: Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr genommen werden. Eine Übertragung ist nur erlaubt, wenn dringende betriebliche Gründe oder beispielsweise die Krankheit des Arbeitnehmers den Urlaub verhindert haben. Dann muss der Urlaub allerdings auch in den ersten drei Monaten des Folgejahres genommen werden, so die Regeln des BurlG.

Diese Vorgabe soll eigentlich den Arbeitnehmer schützen und dafür sorgen, dass er die Erholungszeit auch tatsächlich nimmt. Deshalb darf Urlaub auch nur in bestimmten Fällen ausgezahlt werden. Das ist beispielsweise möglich, wenn der Arbeitnehmer das Unternehmen verlässt und noch Anspruch auf Urlaubstage hat. Allerdings galt die Befristung für die Urlaubstage auch für diesen Fall. Das heißt, er konnte die Auszahlung auch nur im jeweiligen Kalenderjahr geltend machen. Das Bundesarbeitsgericht diese Befristung nun in einem aktuellen Urteil gekippt.

Geklagt hatte der ehemalige Operation-Manager eines Unternehmens, der pro Jahr einen Urlaubsanspruch von 27 Tagen hatte. Dabei sollte laut Vertrag für jeden Monat, in dem das Arbeitsverhältnis mindestens 15 Kalendertage bestand, 1/12 des Jahresurlaubs gewährt werden. Zwischen 28. Mai und 30 Juni war der Mann krank geschrieben, wurde zwischenzeitlich gekündigt und schied zum 31. Juli 2008 aus dem Unternehmen aus. Urlaub hatte er in dieser Zeit nicht genommen und verlangte einen entsprechenden finanziellen Ausgleich für die ihm zustehenden 16 Tage im Jahr 2008. Allerdings meldete er diesen Anspruch erst im Januar 2009 an. Sein ehemaliger Arbeitgeber vertrat da die Auffassung, dieser Anspruch sei zum Ende des Jahres 2008 verfallen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage des Ex-Mitarbeiters abgewiesen. Die Berufung wurde vom Landesarbeitsgericht ebenfalls zurückgewiesen. Doch vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte die Revision Erfolg. Nach Ansicht der Richter war der Abgeltungsanspruch mit Ablauf des Kalenderjahres nämlich keinesfalls verfallen.

Dem Kläger habe laut einer Klausel seines Arbeitsvertrags ein jährlicher Urlaubsanspruch von 27 Arbeitstagen zugestanden. Da das Arbeitsverhältnis am 15. Januar 2008 begonnen habe, sei die Wartezeit von sechs Monaten gemäß § 4 BUrlG zum Zeitpunkt seines Ausscheidens erfüllt gewesen. Damit hätte er sogar Anspruch auf den ungekürzten Vollurlaub, denn eine Kürzung sehe § 5 BUrlG für diesen Fall nicht vor.

Zwar sehe die arbeitsvertragliche Klausel nur einen Anspruch in Höhe von 1/12 je Monat des bestehenden Arbeitsverhältnisses vor, doch diese Klausel sei nicht zulässig bzw. für den gesetzlichen Mindesturlaub nicht wirksam. Dem Kläger habe bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses damit mindestens der ungekürzte gesetzliche Vollurlaub von 20 Arbeitstagen zugestanden. Er mache davon nur 16 Tage geltend und dies zu Recht. Denn der Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich sei nicht verfallen, nur weil er nicht schon im Urlaubsjahr selbst gefordert wurde.

Diese Auffassung überrascht durchaus, denn bisher ging die Rechtsprechung davon aus, dass der Abgeltungsanspruch genauso befristet ist wie der Urlaubsanspruch selbst und deshalb bis zum Ende des jeweiligen Jahres geltend gemacht und erfüllt werden müsse. Doch diese Auffassung gab der Senat nun auf: Der Abgeltungsanspruch sei ein Geldanspruch, dessen Erfüllbarkeit nicht von der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers abhängt und auch nicht von den Fristenregelungen des Bundesurlaubsgesetzes, heißt es in dem Urteil.

Deshalb komme es vorliegend nicht darauf an, ob der Kläger seinen Urlaub im Urlaubsjahr 2008 verlangt habe oder nicht. Er könne diesen Urlaub auch später noch geltend machen, einezeitliche Befristung gebe es hierzu nicht. Erst nach drei Jahren kann sich der Arbeitgeber auf Verjährung berufen, erst dann ist der Anspruch tatsächlich verfallen (Urteil vom 19. Juni 2012, Az.9 AZR 652/10). (gs)
(masi)