Ein Proto-Avatar für den Büroalltag

Die kalifornische Firma Suitable Technologies hat ein Telepräsenz-System für Heimarbeiter entwickelt, das die Schwächen bisheriger Lösungen endlich ausmerzen soll.

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Von
  • Tom Simonite

Die kalifornische Firma Suitable Technologies hat ein Telepräsenz-System für Heimarbeiter entwickelt, das die Schwächen bisheriger Lösungen endlich ausmerzen soll.

Dank des mobilen Internets brummt die IT-Branche in San Francisco wieder wie zur Hochzeit der New Economy. Gute Software-Entwickler sind begehrt, Hochschulabgänger können gleich um sechsstellige Einstiegsgehälter feilschen, während die ohnehin schon hohen Mieten weiter anziehen. Schon überlegen manche Firmen, wie lange sie bei diesem Preiskampf noch mitmachen wollen. Vielleicht könnte Scott Hassan ihnen helfen: Er will das angestaubte Konzept der Telearbeit wiederbeleben. Mitarbeiter könnten dann in Vororten mit günstigeren Mieten am Firmenalltag teilnehmen.

Mit seiner Firma Suitable Telepresence hat Hassan ein knapp 1,60 Meter hohes, mobiles System entwickelt: den Beam RPD. Das Kürzel „RPD“ steht dabei für Remote Presence Device. Das Gerät soll endlich eine wirklich benutzerfreundliche Fernpräsenz ermöglichen. Zwar arbeiten in den letzten zehn Jahren immer mehr Menschen vom heimischen Laptop aus. Optimal sei dieser Telearbeitsplatz jedoch nicht, findet Hassan. „Wir brauchen eine besseres Werkzeug als Skype oder das Telefon für die Zusammenarbeit“, sagt der Ingenieur, der in den Anfangstagen von Google die Suchmaschine mit aufgebaut hat und später Investor wurde.

Der Beam RPD funktioniert als eine Art rudimentärer Avatar des Telearbeiters. In einem Büro platziert, überträgt er mit einer Kamera die Büroszenerie an den Mitarbeiter in der Ferne. Wer mit diesem sprechen will, stellt sich vor das Gerät – nicht anders, als wenn er einem Kollegen im Flur begegnet – und spricht mit das Gesicht auf dem 17-Zoll-Bildschirm direkt an. „In den meisten Jobs berühren Sie Ihre Kollegen nicht, aber es ist praktisch, sie zu sehen und mit ihnen ein Schwätzchen halten zu können“, sagt Hassan.

Die Batterielaufzeit beträgt acht Stunden – genug, um sich für einen normalen Arbeitstag in das System einzuloggen. Der Telearbeiter kann das Gerät von seinem heimischen Rechner aus durch das Büro seiner Kollegen steuern. Klickt er auf einen Punkt in der Büroszenerie auf dem Bildschirm, setzt sich der Beam RPD dorthin in Bewegung. Über das Bild sind zusätzlich grafische Informationen gelegt, die die Richtung und die Geschwindigkeit des Geräts anzeigen. Es ist schwer genug, um im Fahren angelehnte Türen zu öffnen oder Bürostühle zur Seite zu schieben.

Eine Weitwinkelkamera sorgt dafür, dass der Betrachter das Büro nicht nur im typischen Tunnelausschnitt herkömmlicher Kameras sieht. Eine zweite Kamera, deren Bild beim Telearbeiter klein eingeblendet wird, zeigt die Umgebung der Basis des Beam RPD an. Sechs Mikrofone, die in verschiedene Raumrichtungen weisen, sollen zum einen ein rauschfreies Audiosignal liefern. Zuma anderen sollen sie in Gruppensituationen, etwa in einer Besprechung, die räumliche Anordnung der Kollegen wiedergeben.

Entstanden ist das Konzept für den Beam RPD im Robotiklabor Willow Garage, dass Scott Hassan 2006 gründete. Es basiert auf dem Telepräsenzsystem Texai, dessen Erfinder von Willow Garage eingestellt wurde. Das Labor hat außerdem das Open-Source-Betriebssystem für Roboter ROS entwickelt, das bereits in anderen Geräten eingesetzt wird.

Ein Roboter sei der Beam RPD aber nicht, da ihm die nötige Autonomie und Sensorik fehle, sagt Hassan. Er sei aber auch mehr als nur ein Laptop mit Skype auf zwei Stöcken, betont Hassan. „Wir haben während der Forschungsphase festgestellt, dass es viel schwerer ist, das Gerät zum Laufen zu bringen, als sich die Leute vorstellen können.“

Bisherigen Telepräsenz-Systemen war es nicht gelungen, die Begegnung zwischen Bürokollege und Telearbeiter ungekünstelt erscheinen zu lassen. Suitable Technologies habe deshalb am Design gearbeitet, um diese Probleme auszuräumen, so Hassan. Eine wichtige Verbesserung ist der große Bildschirm: Er kann das Gesicht des Telearbeiters in Originalgröße darstellen. Konkurrenzprodukte wie Vgo oder AnyBots bieten hingegen nur ein Bild von der Größe eines Smartphone-Displays an. Das genüge nicht, um Gesichtsausdrücke richtig zu erkennen, sagt Hassan.

Ebenfalls neu ist, dass ein Beam RPD zwei Funkadapter hat. So kann er gleichzeitig mit zwei WLANs verbunden sein. Damit solle verhindert werden, dass das Gerät zwischen drahtlosen Netzen hin und her springen müsse, wenn es sich durch den Raum bewege, erläutert Hassan. Dieses Umspringen zwischen Netzen verursacht häufig Unterbrechungen in Audio- und Videostreams. Nähert sich das Gerät dem Rand eines WLANs, verbindet sich die zweite Funkeinheit bereits mit dem nächsten verfügbaren Netz, bevor das erste WLAN verlassen wird. Auf diese Weise gebe es einen bruchlosen Übergang, sagt Hassan.

Das Beam RPD genannte Gerät wird ab sofort für 16.000 Dollar angeboten, das Ladedock kostet noch einmal 950 Dollar extra. Die Auslieferung soll im November beginnen. (nbo)