Innovationsbeschleuniger in der Luft

Der Luftfahrtkonzern Boeing will mit Hilfe des EcoDemonstrator-Programms den Treibstoffverbrauch seiner Jets deutlich verringern. Zudem sollen umweltfreundliche Technologien schneller im Flugbetrieb ankommen.

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  • Jessica Leber

Der Luftfahrtkonzern Boeing will mit Hilfe des EcoDemonstrator-Programms den Treibstoffverbrauch seiner Jets deutlich verringern. Zudem sollen umweltfreundliche Technologien schneller im Flugbetrieb ankommen.

Vor über 50 Jahren brachte Boeing seinen ersten modernen Passagierjet auf den Markt. Seitdem haben die Ingenieure des Luftfahrtgiganten aus Seattle und der Triebwerkhersteller die Maschinen immer sparsamer gemacht. Heutige Boeing-Jets verbrauchen 70 Prozent weniger Treibstoff als damals. Nun will der Konzern das Tempo, mit dem seine Flugzeuge effizienter werden, anziehen: Mit dem EcoDemonstrator-Programm sollen umweltfreundliche Innovationen schneller in den Flugbetrieb gehen, Treibstoffverbrauch und CO2-Emissionen der Boeing-Flotte rascher verringert werden.

Bislang benötigen Innovationen in der Luftfahrtindustrie lange, um auf dem Rollfeld anzukommen. Bis zu zehn Jahre dauert es allein, einen neuen Jet auf den Markt zu bringen. Bei einer Betriebsdauer von mindestens 20 Jahren fliegen dann mitunter Maschinen durch die Lüfte, deren Standards drei Jahrzehnte alt sind. Hinzu komme, dass die Ingenieure der Flugzeugbauer sehr zögerlich seien, neue, aber noch nicht bewährte Technologien in ihre Modelle einzubauen, um neue Konstruktionsvorgaben zu erfüllen, sagt David Akiyama, Manager des EcoDemonstrator-Programms.

Das Programm sieht daher vor, jedes Jahr eine neue Maschine auszurüsten, in der auf Testflügen neue Technologien erprobt werden können. Das erste EcoDemonstrator-Flugzeug, eine von American Airlines ausgeliehene Boeing 737-800, war in diesem Sommer bereits über sechs Wochen über den weiten Graslandebenen von Montana im Einsatz.

Wo sich bislang Passagierreihen drängten, ist der Rumpf nun mit Messgeräten und Computern vollgestopft. Getestet wird unter anderem, wie man Fluglärm reduzieren kann - oder sich Treibstoff einsparen lässt. Schließlich will Boeing seine neuen Jets mit 20 Prozent weniger Kerosin fliegen lassen. Einige der Technologien aus dem EcoDemonstrator-Programm könnten bereits jetzt in vorhandene Passagiermaschinen eingebaut werden, sagt Akiyama.

Im derzeitigen Test-Jet etwa fliegt eine regenerative Brennstoffzelle im Frachtraum mit. Liefern die Triebwerke mehr elektrische Energie als nötig, produziert die Brennstoffzelle Wasserstoff aus Wasser her. Ist der Stromverbrauch besonders hoch, kann die Zelle mithilfe des Wasserstoffs zusätzlichen Strom erzeugen. Solche Brennstoffzellen sollen am Ende leichtere Bordgeneratoren ermöglichen.

Neben der Brennstoffzelle werden sechs weitere Technologien getestet. Das Cockpit etwa ist mit einer Breitband- Satellitenverbindung und sichere drahtlosen Netzwerk ausgestattet. So können die Piloten mit Hilfe einer eigenen iPad-App in Echtzeit Wetterdaten abrufen und eine effizientere Route einschlagen, falls ein Unwetter droht. Bislang müssen sie Stürme in einem weiten Sicherheitsabstand umfliegen, weil sie die Wetterlage nur aus älteren Vorhersagen und dem Radarbild erschließen können. Mit Echtzeit-Daten könnte der Sicherheitsabstand reduziert werden, so dass das Flugzeug auf der Umgehung fünf Prozent weniger Treibstoff verbraucht als in der bisherigen Praxis, sagt Akiyama.

Mit so genannten adaptiven Tragflächen wiederum kann der Jet nach dem Start schneller steigen. Dabei wird die hintere Kante der Tragfläche gezielt verbogen, um den Auftrieb zu vergrößern. Diese „smart trailing edge“ spart ebenfalls Treibstoff und macht den Steigflug leiser.

Für die Kunden von Boeing ist jede kleine Verbesserung, die den Kerosinverbrauch senkt, von Bedeutung. Denn Treibstoff ist für viele Fluggesellschaften der größte Kostenblock. Zwar konnten die Flugzeugbauer in den letzten zwanzig Jahren den Treibstoffverbrauch im Verhältnis zur transportierten Last jährlich um 1,5 Prozent verringern. Doch im selben Zeitraum hat der Verbrauch des gesamten zivilen Luftverkehrs jährlich um zwei bis drei Prozent zugelegt. Selbst Einbrüche wie nach den Anschlägen am 11. September 2011 und im Krisenjahr 2009 konnten den Trend nicht stoppen. Folge: Der CO2-Fußabdruck des Luftverkehrs wird Jahr für Jahr größer.

Die EU hat darauf reagiert, indem sie den Luftverkehr seit Anfang des Jahres erstmals in den CO2-Emissionshandel einbindet - trotz heftiger Proteste der europäischen und amerikanischen Luftfahrindustrie. Fluggesellschaften, die in der Staatengemeinschaft landen, sind dadurch gezwungen, CO2-Zertifikate zu kaufen, wenn sie die zulässige Gesamtemission für dieses Jahr überschritten haben. Die liegt bei 97 Prozent des Durchschnittswerts aus den Jahren 2004 bis 2006. Das soll auch die Flugzeughersteller anspornen, ihre Maschinen effizienter und sauberer zu machen.

In den USA setzt man hingegen auf aktive Innovationsförderung. So werden die EcoDemonstrator-Flüge in diesem und im kommenden Jahr von der US-Luftfahrtaufsicht FAA mitfinanziert. 2013 will Boeing einen Großjet als Testumgebung verwenden. Darin soll unterem eine keramische Einspritzdüse getestet werden, die weniger wiegt als die bisherigen Titandüsen und bei hohen Temperaturen besser arbeitet – was umso wichtiger ist, je kompakter Triebwerke gebaut werden sollen.

Für Akiyama ist das EcoDemonstrator-Programm eine echte Neuheit im Testen von Technologien. Zwar gibt es auch hier Sicherheitsvorschriften, die eingehalten werden müssen, weil schließlich auch bei den Testflügen eine Crew an Bord ist. Die Ingenieure dürfen aber größere technische Risiken eingehen als in der herkömmlichen Flugzeugentwicklung. „Wenn man nicht hin und wieder scheitert, hat man es nicht ernsthaft genug probiert“, sagt Akiyama.

(nbo)