Der neue Traum vom Wasserstoff

Weil der Durchbruch bei Batterien für die Elektromobilität auf sich warten lässt, entdeckt die Autoindustrie die Brennstoffzelle wieder. Sie ist leichter, kleiner sowie zuverlässiger geworden und ermöglicht deutlich größere Reichweiten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 51 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Peter Fairley

Weil der Durchbruch bei Batterien für die Elektromobilität auf sich warten lässt, entdeckt die Autoindustrie die Brennstoffzelle wieder. Sie ist leichter, kleiner und zuverlässiger geworden und ermöglicht deutlich größere Reichweiten.

Im Hype um die Elektromobilität sind in den letzten Jahren viele Abgesänge auf das Wasserstoffauto angestimmt worden. Mit Wasserstoff-gespeisten Brennstoffzellen Fahrzeuge anzutreiben, sei wirtschaftlich nicht praktikabel, hieß es, während Hybridantriebe in die Massenproduktion gingen. Doch nun scheint es, als kehre sich der Trend um: Auf der diesjährigen Pariser Motor Show stellen die Autobauer wieder ihre Wasserstoff-Modelle in den Vordergrund. Hyundai will schon in einigen Monaten einen Wasserstoff-SUV auf den Markt bringen.

Ein Grund: Die Euphorie für Elektroantriebe ist verflogen. Der große Durchbruch in der Batterietechnik lässt auf sich warten, und ohne Akkus mit deutlich mehr Kapazität wird sich die Reichweite von Elektrofahrzeugen nicht vergrößern. Die schleppenden Absatzzahlen für die ersten Elektroserienmodelle zeigen, dass die Kunden bei der Reichweite keinen Spaß verstehen. Unterdessen hat die Autoindustrie einige Kinderkrankheiten der Wasserstofftechnologie gelöst, etwa die Anfälligkeit bei sehr kalten Temperaturen. Auch ist der Wirkungsgrad bei der Umwandlung von Wasserstoff in Strom besser geworden.

Selbst Nissan, das – gemeinsam mit Partner Renault – den Markt für rein elektrisch angetriebene Fahrzeuge anführt, präsentiert einen Brennstoffzellen-SUV in Paris. Dass in der Autoindustrie gerade umgedacht wird, bestätigt die Global Auto Executive Survey 2012 des Beratungsunternehmens KPMG. Von den 200 befragten Topmanagern erwartet mehr als die Hälfte, dass 2025 die Autokäufer Brennstoffzellen Elektrobatterien deutlich vorziehen werden.

„Beim Brennstoffzellen-Auto gibt es kein Reichweiten-Problem“, sagt Kevin See, Analyst des Marktforschungsunternehmens Lux Research aus Boston. „Damit ist es für einen breiteren Kreis von Verbrauchern eine Null-Emissions-Option mit der notwendigen Leistung.“

Die in Paris gezeigten Wasserstoffautos übertreffen die bescheidene Reichweite des Elektro-Autos Nissan Leaf von 117 Kilometern um ein Vielfaches. Der ix35 von Hyundai schafft mit einer Tankfüllung Wasserstoff – unter 700 bar Druck in einen Kohlefasertank gepresst – immerhin 587 Kilometer. Toyota beziffert die Reichweite für sein Konzeptauto FCV-R gar auf 700 Kilometer. Nissan hat für seinen Brennstoffzellenmodell TeRRA noch keine Zahlen genannt.

Es gehe bei dem wiedererwachten Interesse an Wasserstoffantrieben aber nicht nur um die Reichweite, sagt Gerald Killmann, Direktor für Antriebstechnikforschung von Toyota Europa. Entscheidend sei auch, dass in den letzten Jahren die Größe der Brennstoffzellen geschrumpft sei.

Pro Kilowatt Leistung sei der Brennstoffzellen-Stapel etwa im Toyota FCV-R nur noch halb so groß wie im Vorgängermodell von 2008. Die Limousine, die Toyota 2015 auf den Markt bringen will, wird laut Killmann technisch dem FCV-R entsprechen.

Auch Hyundai hat seinen Antrieb verkleinert. Die Brennstoffzellen laufen nun auch mit Umgebungsluft, so dass laute, sperrige und energiehungrige Kompressoren nicht mehr nötig sind.

Immer noch nicht optimal sind allerdings die Kosten für die Brennstoffzellen. Der FCV-R würde derzeit 100.000 Euro kosten, sagt Killmann. Toyota will die Kosten bis 2015 halbieren, indem es alle Komponenten selbst entwickelt – und damit die erfolgreiche Strategie seiner Hybrid-Antriebe kopieren will.

Ein weiteres Problem sei die Infrastruktur für Wasserstoff-Tankstellen, sagt Lux-Analyst See. Weltweit gibt es zurzeit nur 280 Stationen, an denen Autofahrer das leichteste aller Gase tanken können. Viele davon seien nicht öffentlich zugänglich, bemängelt Ulrich Buenger, Koordinator des 20 Millionen Euro schweren EU-Forschungsprojekts H2Moves. Die Zahl der Wasserstoff-Tankstellen auszuweiten, sei jedoch teuer. Pro Station müsse man mit einer Million Euro rechnen.

Buenger geht allerdings davon aus, dass die Installationskosten auf 300.000 Euro fallen werden, wenn mehr Stationen errichtet werden. Das entspricht den Kosten für eine Erdgas-Tankstelle. Am meisten tue sich in Europa. In Deutschland etwa gibt es zurzeit 14 Wasserstofftankstellen, bis 2015 sollen 36 weitere hinzukommen. Das würde schon reichen, um alle größeren Städte miteinander zu verbinden. Der Chemiehersteller Air Products hat vergangene Woche den Bau von zwei weiteren Wasserstoff-Stationen in London angekündigt, was die Gesamtzahl in der britischen Metropole auf fünf erhöht.

In den USA ist von einem solchen Engagement noch nichts zu spüren. Bislang können Autofahrer Wasserstoff an ganzen sieben Tankstellen bekommen – und alle befinden sich in Kalifornien.

Es gebe aber Grund zum Optimismus, sagt Buenger. Bei der boomenden Erdgasförderung mittels Hydraulic Fracturing würden auch große Mengen Wasserstoff freigesetzt. „Dank dieser neuen Erdgas-Ressourcen wird das Interesse an der Brennstoffzellen-Technologie immer größer“, sagt Buenger. (nbo)