IROS: Roboter für Formationsflüge oder den Kindergarten

Bei ihrem Treffen in Portugal kommen außer der Elite der Robotik-Szene auch Normalbürger auf ihre Kosten. Bei "Education and Entertainment Robotics" reichte die Spanne vom Testmodell für Neurologen bis zum Luftballett mit Dutzenden von Quadrokoptern.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Vorträge von Robotikforschern können durchaus unterhaltsam sein. In der Regel ist die Erörterung mathematischer Formeln etwa zur Bildverarbeitung, Selbstlokalisation oder Zusammenführung verschiedener Sensorinformationen eine zähe Angelegenheit, zumindest für jene, die nicht zum gleichen Thema forschen. Da freut sich der eher allgemein interessierte Besucher der Konferenz IROS (Intelligent Robots and Systems), wenn er im Tagungsprogramm eine Sitzung zum Thema "Education and Entertainment Robotics" entdeckt und hofft auf ein wenig Abwechslung.

Abwechslungsreich war das Programm dieser Sitzung in der Tat: Selten gab es so wenig Berührungspunkte zwischen den verschiedenen Vorträgen wie auf diesem IROS-Termin. Den Auftakt machte Bejamin Munske, der von den Erfahrungen mit Roboterwettbewerben am Institut für Mechatronische Systeme an der Universität Hannover berichtete. Ziel war es, mehr Praxis und Bezüge zur Industrie ins Studium zu bringen. Um die Motivation der Studenten zu fördern, wurden ihnen Aufgaben zu mobiler Manipulation gestellt, die sie in kleinen Teams zu einem festgelegten Termin lösen sollten. Dafür wurde jedem Team ein youBot sowie ein vorkonfigurierter Laptop zur Verfügung gestellt. Insgesamt gab es dafür 13 Wochen Zeit, begleitet von Einführungskursen und Feedbacksitzungen. Das Programm hat sich bewährt, lautet Munskes Fazit. Am Ende hätten Studenten aus Hannover sogar beim RoboCup den Weltmeistertitel in der Liga RoboCup@work gewonnen.

Da sollte keiner aus der Reihe tanzen: Quadrokopter im Formationsflug

(Bild: Youtube)

Javier Alonso-Mora (ETH Zürich) gab dann einen Ausblick auf die Zukunft der Echtzeit-Animation, die bald nicht mehr nur auf Leinwand und Bildschirm, sondern mit Quadrokoptern im dreidimensionalen Raum erfolgen soll. Gemeinsam mit Disney Research Switzerland arbeitet die ETH Zürich daran, die Flugroboter so in Formation fliegen zu lassen, dass sie in der Luft verschiedene Skulpturen bilden. Dafür müsse aus einem 3D-Modell der Skulptur zunächst mithilfe des k-means++ clustering die Positionen bestimmt werden, die die Roboter einnehmen sollen. Diese Positionen müssen sie wiederum erreichen, ohne mit anderen Robotern zu kollidieren, wobei Unsicherheiten etwa aufgrund von atmosphärischen Turbulenzen zu berücksichtigen sind.

In der Simulation habe das mit bis zu 80 Quadrokoptern schon recht gut funktioniert, sagte Alonso-Mora. Er veranschaulichte das mit Videos, in denen die Skulpturen sich sogar bewegten und etwa einen laufenden oder tanzenden Menschen darstellten. Wo früher Flugzeuge Werbebotschaften mit Kondensstreifen an den Himmel schrieben, könnten demnächst Flugroboter um die Aufmerksamkeit des Bodenpublikums kämpfen. Werbeagenturen haben bereits großes Interesse an solchen Formationsflügen.

Nach den fliegenden Skulpturen wurde es wieder etwas bodenständiger. Marina Fridin vom israelischen Ariel University Center schilderte Experimente, die sie und ihre Kollegen mit Nao-Robotern im Kindergarten durchgeführt hatten. Bei Kindern im Alter von vier bis sechs Jahren sollte das geometrische Denken gefördert werden. Dafür zeigte ihnen der Roboter zunächst Bilder der vier Jahreszeiten und forderte sie dann auf, auf seinem Körper Knöpfe zu drücken, die den Jahreszeiten jeweils zugeordnet waren. Wenn die richtigen Knöpfe betätigt wurden, spielte der Roboter zur Belohnung Musik von Vivaldi. Die Experimente brachten den Kindern offensichtlich Spaß. Inwieweit der Einsatz von Robotern ihre Persönlichkeitsentwicklung fördert, wurde aus dem Vortrag allerdings nicht ganz klar – und wird sich wohl auch erst genauer überprüfen lassen, wenn die Kinder herangewachsen sind.

Eine etwas ältere Klientel hatte Chunbao Wang (Waseda University) im Blick, der die Ausbildung von Neurologen durch Roboter verbessern will. Es sei schwierig, neurologische Untersuchungen zu trainieren, da menschliche Versuchspersonen nicht bewusst bestimmte Reflexe simulieren können, die möglicherweise auf krankhafte Veränderungen hindeuten. Im Rahmen des Projekts Waseda Kyotokagaku Patient wurde daher zunächst ein Roboterarm entwickelt, der gezielt bestimmte neurologische Symptome reproduzieren kann. Mediziner empfanden ihn als realistisch. Zukünftig soll ein kompletter menschlicher Körper nachgebildet werden.

Kento Nishibori von der japanischen Gifu University stellte schließlich einen Roboter vor, der sich an einer Reihe von Trapezen ohne eigene Energiequelle wie Tarzan in die Höhe schwang, allein indem er die Bewegungsdynamik ausnutzte. Körpermechanik zu nutzen, um Roboter zu kontrollieren ist gegenwärtig ein wichtiges Thema in der Robotik. Nishibori konnte zeigen, dass sich ein Roboter ohne Zufuhr von Energie nicht nur abwärts, sondern auch aufwärts bewegen kann. Allerdings war dafür eine spezielle Konfiguration von Trapezen erforderlich. Wie sich diese Erkenntnis auf andere Anwendungen übertragen lässt, blieb jedoch unklar. (ssu)