Vorsicht Falle: Unterlassungserklärung gilt lebenslang

Die meisten Händler gehen davon aus, dass sie „nur“ 30 Jahre lang an eine Unterlassungserklärung gebunden sind. Wie ein aktuelles Urteil zeigt, ist das leider falsch.

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Von
  • Marzena Sicking

Bei dem Fall, der vor dem Bundesgerichtshof verhandelt wurde, ging es eigentlich um eine erbrechtliche Frage. Doch ein Punkt, der eher am Rande verhandelt wurde, ist echter Zündstoff für das Wettbewerbsrecht. Denn der BGH stellte klar: es gibt keine Bestimmung zur höchstzulässigen Geltungsdauer vertraglicher Verpflichtungen, die Pflichten in Zusammenhang mit einer Unterlassungserklärung erlöschen keinesfalls automatisch nach 30 Jahren. Vielmehr gelten sie tatsächlich lebenslang, wobei über die juristische Definition von "lebenslang" wohl noch gestritten werden dürfte. Auf jeden Fall gilt: wer eine Unterlassungserklärung unterschreibt, kann sich nicht darauf verlassen, dass diese nach drei Jahrzehnten ihre Wirksamkeit verliert. Rechtsanwalt Frank Weiß von der Anwaltskanzlei Weiß & Partner in Esslingen beantwortet die wichtigsten Fragen zum Urteil und seinen Auswirkungen für den Handel.

Abmahnungen gehören für IT-Händler leider zum Alltag. In der Regel gehört zu diesem Schreiben auch ein eine Unterlassungserklärung. Warum muss man die überhaupt unterschreiben?

Weiß: Hierzu muss zunächst betont werden, dass der Abmahner keinen Anspruch darauf hat, dass genau die mit der Abmahnung übersandte Unterlassungserklärung unterzeichnet wird. Vielmehr steht es dem Empfänger der Abmahnung frei, selbst eine ausreichende Unterlassungserklärung zu formulieren und an den Abmahner zu übersenden.

Frank Weiß
Anwaltskanzlei Weiß & Partner
Katharinenstraße 16
73728 Esslingen
Tel.: +49 (0) 711 - 88241006
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Mit der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung soll der Hauptzweck der Abmahnung erreicht werden: die außergerichtliche Beseitigung der Wiederholungsgefahr und somit die Verhinderung von zukünftigen, gleichartigen Verstößen. Um diesem Verlangen den entsprechenden Nachdruck zu verleihen, enthält die Unterlassungserklärung eine Strafbewehrung, das heißt, eine Verpflichtung bei zukünftigen und gleichartigen Verstößen dem Abmahner einen bestimmten Geldbetrag, die Vertragsstrafe, zu bezahlen. Dieser muss keinesfalls bereits in der Unterlassungserklärung betragsmäßig in einer bestimmten Höhe aufgeführt sein. Vielmehr hat die Rechtsprechung hier Formulierungen anerkannt, die einen gewissen Spielraum eröffnen.

Auf diesem Wege lässt sich durch das außergerichtliche Instrument der Abmahnung kostengünstig und einfach realisieren, kostenintensive gerichtliche Unterlassungsverfahren zu vermeiden. Ob der Händler eine solche strafbewehrte Unterlassungserklärung unterschreibt und damit den - angeblichen - Unterlassungsanspruch auf eine vertragliche Ebene hebt, ist alleine seine unternehmerische Entscheidung. In jedem Fall sollte alternativ in Erwägung gezogen werden, sich das beanstandete Verhalten im Wege einer einstweiligen Verfügung oder einer Hauptsacheklage gerichtlich verbieten zu lassen, auch wenn hier kurzfristig höhere Kosten anfallen. In diesem Fall würde dem Händler gerichtlich bei Meidung eines Ordnungsgeldes untersagt, zukünftig sein Verhalten zu wiederholen. Das Ordnungsgeld wäre im Falle des erneuten Verstoßes sodann an die Staatskasse zu zahlen. Im Fall einer Unterlassungserklärung im Gegensatz dazu an den Abmahner direkt. Das erhebliche Eigeninteresse des Abmahners, zukünftig ganz gezielt nach den zur Unterlassung verpflichteten Handlungen zu suchen, dürfte im Fall der Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung klar auf der Hand liegen.

Nehmen wir einmal an, ich habe heute als Geschäftsführer einer Firma eine Unterlassungserklärung unterschrieben und ein paar Jahre später ein anderes Unternehmen gegründet. Gilt die Verpflichtung dann immer noch? Oder anders ausgedrückt: Ist sie eigentlich personen- oder objektbezogen?

Weiß: Die Beantwortung dieser Frage wird allgemein nicht möglich sein, zumal hier die konkrete Gesellschaftsform des Abgemahnten und die exakten Formulierungen in der Unterlassungserklärung von Bedeutung sind.

Im einfachsten Fall, dass ein Einzelunternehmer (nicht e.K.) zunächst als "A-Handel" firmiert, eine Unterlassungserklärung unterzeichnet und im Laufe der Jahre als "B-Handel" tätig ist, wird die einst abgegebene Unterlassungserklärung auch unter der neuen Firmierung an ihm "kleben" bleiben.

Nicht selten kommt es hingegen vor, dass der Abmahner von einer GmbH sowie dem Geschäftsführer als persönlich Handelndem eine Unterlassungserklärung einverlangt. Hier wird zumeist, abgängig von den exakten Formulierungen in der Unterlassungserklärung, die Unterlassungserklärung der GmbH auch nach Austritt des Geschäftsführers weiter fort bestehen. Die Unterlassungserklärung des Geschäftsführers wird ebenfalls gültig bleiben. Nur wird in aller Regel die neue Firma, in die der Geschäftsführer eintritt, nicht mit dieser belastet. Entsprechende Formulierungen in der Unterlassungserklärung können jedoch eine andere Beurteilung zulassen.

Fragte man bislang einen Anwalt, wie lange die aus einer Unterlassungserklärung resultierenden Verpflichtungen gelten, lautete die Antwort in der Regel „mindestens 30 Jahre“. Wie würde Ihre Antwort nach dem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs (Urteil des BGH vom 06.07.2012, Az. V ZR 122/11) lauten?

Weiß: Lebenslang. Denn es gibt keinen allgemeinen Rechtssatz, der die Geltung vertraglicher Verpflichtungen auf eine Frist von 30 Jahren begrenzt, so der BGH. Auch erlöschen rechtsgeschäftliche Verfügungsverbote nach § 137 Satz 2 BGB nicht schon wegen Ablaufs dieser Frist, weil dem vereinbarten Untersagungsanspruch auch noch nach dieser Zeit ein anerkennenswertes Interesse zugrunde liegen kann. Zudem lässt sich eine solche zeitliche Obergrenze auch nicht auf anderem Wege ableiten und vertragliche Bindungen verstoßen nicht automatisch gegen die guten Sitten, wenn sie länger als 30 Jahre andauern.

Momentan noch nicht abzusehen ist, welche Bedeutung der Begriff "lebenslang" in Bezug auf juristische Personen, wie z.B. eine GmbH hat. Wurde die Unterlassungserklärung firmenmäßig für die juristische Person unterzeichnet, wird der Begriff "lebenslang" durch die Gerichte eine Auslegung erfahren müssen.

Das ist die Theorie, aber wie sieht es in der Praxis aus? Muss man nach Jahrzehnten wirklich noch damit rechnen, dass eine alte Unterlassungserklärung nochmal rausgeholt wird? Sind Ihnen solche Fälle bekannt?

Weiß: Ja, rechnen muss man in jedem Fall damit, dass der ehemalige Abmahner auch noch nach Jahren aus der Unterlassungserklärung bei Verstößen gegen diese vorgeht. Sinn und Zweck der Unterlassungserklärung ist es gerade auch, eine langfristige Sicherung des Abmahners zu erzielen. Derartige Fälle begegnen uns in unserer täglichen Praxis immer wieder. Dabei mussten wir auch feststellen, dass solche Unterlassungserklärungen bei den Abgemahnten zumeist schneller in Vergessenheit geraten als beim Abmahner selbst. Dies hat unserer Ansicht nach auch einen einfachen Grund. Der Abmahner weiß, dass es bei jedem Verstoß des Abgemahnten gegen die Unterlassungserklärung sprichwörtlich in seiner „Kasse klingelt“. Wieso sollte er eine solche Einnahmemöglichkeit vergessen? Der Abgemahnte unterzeichnet die Unterlassungserklärung oftmals hingegen nur, um die Angelegenheit schnellstmöglich ad acta legen zu können, ohne sich über die lebenslangen Folgen seiner Unterschrift bewusst zu sein.

Unternehmen ist nach der Entscheidung des BGH insofern – noch mehr als zuvor – zu einem gewissenhaften Vertragsmanagement zu raten, um so auch zukünftig "lebenslang" Verstöße gegen die Unterlassungsverpflichtung zu vermeiden.

Was passiert, wenn ich eine Unterlassungserklärung abgegeben habe und sich die Rechtslage nach einigen Jahren aber zu meinen Gunsten verändert hat? Kann ich die Verpflichtung kann anfechten?

Weiß: An Verträge hat man sich zu halten. Die Unterlassungserklärung stellt – entgegen ihres Namens - einen Vertrag dar, der, wie alle Verträge, durch Angebot und Annahme zustande kommt. Insofern ist es entsprechend schwer, sich aus einer abgegebenen Unterlassungserklärung einseitig zu lösen.

Ändert sich die Rechtslage bzw. die höchstrichterliche Rechtsprechung zu Gunsten des Abgemahnten, ist umstritten, ob hierdurch eine in der Vergangenheit nach damals geltender Rechtslage abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung gegenstandslos wird.

Teilweise wird die Ansicht vertreten, eine Unterlassungserklärung könne als Dauerschuldverhältnis (wie beispielsweise ein Mietvertrag) gekündigt werden. Dabei wird allerdings übersehen, dass ein Dauerschuldverhältnis neben der langen Laufzeit auch durch ständig neue Leistungs- und Nebenpflichten gekennzeichnet ist. Die Unterlassungserklärung stellt hingegen ein einseitig verpflichtendes Schuldverhältnis auf Unterlassung dar, das mit Vertragsschluss entsteht. Eine Kündigung der Unterlassungserklärung ist daher nur unter bestimmten Voraussetzungen denkbar.

Eine weitere Möglichkeit, sich von einer Unterlassungserklärung auf Grund der veränderten Rechtslage zu lösen, wäre die Anfechtung der Unterlassungserklärung. Die Möglichkeit einer Anfechtung wegen Irrtums kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn der Abgemahnte nicht wusste was er erklärt, etwas anderes erklärt, als er eigentlich wollte oder ein Irrtum über die verkehrswesentlichen Eigenschaften vorlagt. Ebenso wie die einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung werden diese Fälle jedoch die absolute Ausnahme bilden. Denn der Abgemahnte wusste im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Unterlassungserklärung erfahrungsgemäß genau was er unterschreibt, zumal ihm seine Verstöße in der Abmahnung aufgezeigt wurden. Auch wollte der Abgemahnte sich so, wenn auch unter dem Druck der Abmahnung, erklären, mit der Folge, dass eine Anfechtung zumeist ohne Erfolg sein dürfte.

Daneben wird auch die Möglichkeit diskutiert, dass sich der Abgemahnte auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen kann.

§ 313 Abs. 1 BGB bestimmt hierzu:

"Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann."

Im Rahmen dieser Möglichkeit wurden in der Vergangenheit von der Rechtsprechung auch Änderungen der Rechtslage anerkannt. Begründet wird dies damit, dass der seinerzeit bestehende rechtliche Rahmen für die Unterzeichnung der Unterlassungserklärung ein wesentlicher Faktor in Bezug auf den Unterlassungsvertrag war. Ob im Einzelfall tatsächlich eine Änderung der Rechtslage zum Wegfall der Geschäftsgrundlage führen kann, wird allgemein nicht beantwortet werden können. Allerdings bietet diese Alternative zumeist die größten Erfolgsaussichten.

In jedem Fall ist dringend anzuraten, sich die Gefahren einer Unterlassungserklärung vor Unterzeichnung zu vergegenwärtigen und zu hinterfragen, ob man mit einer derartigen Verpflichtung ein Leben lang auch leben kann. (gs)
(masi)