Mit Mobilfunk gegen Malaria

Wissenschaftler nutzen anonymisierte Handy-Ortsinformationen, um die Verbreitung des Sumpffiebers in Kenia zu erforschen.

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Von
  • David Talbot

Wissenschaftler nutzen anonymisierte Handy-Ortsinformationen, um die Verbreitung des Sumpffiebers in Kenia zu erforschen.

Ein internationales Forscherteam hat kartographisch erfasst, wie das menschliche Reiseverhalten zur Verbreitung von Malaria in Afrika beiträgt. Dabei nutzten sie anonymisierte Bewegungsdaten von Handys in Kenia. Das Projekt ist der bislang größte Versuch, Mobilfunkdatensätze als epidemiologisches Werkzeug zu verwenden.

Bei der Studie, deren Endauswertung nun veröffentlicht wurde, konnten die Ortsinformationen von fast 15 Millionen Kenianern über einen Zeitraum von zwölf Monaten zwischen Juni 2008 und Juni 2009 erfasst werden. Die Bewegungsmuster kamen von knapp 12.000 Mobilfunktürmen im ganzen Land. Die Daten wurden dann mit den aktuellen Malaria-Fallzahlen korreliert, die die kenianischen Gesundheitsbehörden parallel erfassten.

Das Ergebnis zeigt deutlich, dass die Malaria-Ausbrüche in dieser Zeit in der Region um Lake Victoria begannen und sich dann östlich in die Hauptstadt Nairobi verteilten. Das legt nahe, dass sich viele Ansteckungen womöglich vermeiden ließen. Dann nämlich, wenn sich die Behörden zunächst auf die Moskito-Bekämpfung in der Seeregion konzentrieren, meint Caroline Buckee, Epidemiologin an der Harvard School of Public Health und Co-Autoren der Studie, die im Journal Science veröffentlicht wurde. "Wenn wir es schaffen wollen, Malaria zu eliminieren, muss man dort eingreifen, wo die meisten Infektionen herkommen", sagt Buckee. Alles andere wirke nur nach und beuge eben nicht vor.

Moskitos verbreiten den Malariaparasiten. Doch infizierte Menschen – besonders diejenigen, die selbst immun sind und deshalb ohne Symptome reisen können – verteilen die Krankheit über größere Regionen, wenn sie später erneut von Moskitos gestochen werden, die dann wiederum andere Menschen stechen. Malaria tötet noch immer eine Million Menschen pro Jahr, die meisten davon Kinder im Alter von unter fünf Jahren im subsaharischen Afrika.

Forscher an verschiedenen Institutionen, die an der Studie beteiligt waren, darunter die Carnegie Mellon University und das Kenya Medical Research Institute, bauten deshalb Modelle auf, die die Bewegungen der Parasiten über die unterschiedlichen Infektionsvektoren und Regionen erfassten. Dies erlaubt es dann, Wahrscheinlichkeiten zu ermitteln, wie akut die Gefährdungslage in bestimmten Gebieten ist. Dies lässt sich sogar auf eine tägliche Infektionswahrscheinlichkeit herunterbrechen.

Die Studie zeigt neue Möglichkeiten auf, wie Mobilfunkdaten im Gesundheitsbereich in der Dritten Welt eingesetzt werden können. Start-ups und NGOs arbeiten in Kenia schon seit längerem an neuartigen Handy-Anwendungen und Dienstleistungen, die der Volksgesundheit dienen sollen – von Vorsorgehinweisen per SMS bis zur Erfassung medizinischer Daten.

Buckee zufolge sind die Forscher derzeit noch dabei, mit dem kenianischen Gesundheitsministerium an einem Aktionsplan zu arbeiten, der die Ergebnisse der Studie in die Praxis umsetzen soll. Dazu gibt es verschiedene Strategien. So können die Daten verwendet werden, um Bekämpfungsmaßnahmen auf bestimmte Regionen zu konzentrieren. Zusätzlich könnten die Kenianer künftig per SMS informiert werden, sich aus gefährdeten Regionen womöglich fernzuhalten oder sie schneller wieder zu verlassen.

Wissenschaftler nutzen Handy-Daten schon länger, um menschliche Bewegungsverläufe zu kartographieren. "Meines Wissens nach ist es das erste Mal, dass man mit dieser Auflösung und diesen Datenmengen gearbeitet hat, um das Vorkommen von Infektionskrankheiten in Korrelation mit Mobilität und Risikofaktoren auf eine Karte zu bringen", sagt Buckee.

Justin Cohen, der im Bereich Malariavorsorge bei der Clinton Health Access Initiative arbeitet, meint, dass das Reiseverhalten von Menschen bei der Verbreitung von Malaria eine große Rolle spielt. Doch diese Wege seien in vielen Regionen der Welt kaum erforscht. "Die Bewegungsmuster überhaupt zu beschreiben, ist bereits ein wichtiger Schritt."

Dabei erleben Forscher des Öfteren interessante Überraschungen. Als es in Sansibar in den letzten Jahrzehnten gelang, die Zahl der Malariafälle deutlich zu reduzieren, ging parallel auch im Oman die Häufigkeit der Krankheit zurück. Es zeigte sich, dass die eigentlich weit voneinander entfernt liegenden Regionen starke Migrationsnetzwerke aufwiesen.

In Kenia wisse man zwar, wie wichtig die Region um den Lake Victoria sei. "Aber die Idee, dass es die Quelle von Malaria für andere Landesteile ist, ist keineswegs selbstverständlich", sagt Cohen. Die ethnische Zusammensetzung des Landes mache Wanderungsmuster schwer vorhersehbar. (bsc)