24C3: Hacker gegen 24-Stunden-Rundum-Überwachung

Der 24. Chaos Communication Congress (24C3) startete mit dem Appell, zukunftskompatiblere Regelungen als die Vorratsdatenspeicherung zu beschließen und einen "vorausschauenden" Umgang mit derlei Gesetzen zu üben.

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Von
  • Andreas Stiller

Der 24. Chaos Communication Congress ( 24C3) startete am heutigen Donnerstag mit dem Appell, zukunftskompatiblere Regelungen als die Vorratsdatenspeicherung zu beschließen. "Unsere gesamte digitale Kommunikation soll für sechs Monate lang rund um die Uhr überwacht werden", kommentierte Tim Pritlove vom Veranstalter des viertägigen Hackertreffens, dem Chaos Computer Club (CCC), die Unterzeichnung des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung durch Bundespräsident Horst Köhler (CDU), im Berliner Congress Center (bcc). "Das kann einfach nicht sein",

Die versammelte Hackergemeinde erinnerte der Kongress-Zeremonienmeister an die Ansage des 2001 verstorbenen CCC-Mitgründers Wau Holland, einen "vorausschauenden Umgang" mit Gesetzen zu pflegen. Die Freunde eines "schöpferisch-kritischen" Umgangs mit der Technik rief Pritlove zugleich auf, der Öffentlichkeit nun zu zeigen, wie man die verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung umgehen und damit gleichsam "hacken" könne. Auf dem Programm stehen während der traditionell zwischen den Jahren stattfindenden Veranstaltung in diesem Bereich etwa Vorträge zur Weiterentwicklung des derzeit löchrigen Anonymisierungsnetzes Tor. Zugleich verwies Pritlove auf eine wachsende neue Bewegung zur Stärkung des Datenschutzes unter dem Dach des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung, die ihre Präsenz dieses Jahr etwa mit einer Großdemo gegen den Überwachungswahn im September in Berlin gezeigt habe.

Der Kongress steht dieses Jahr unter dem Motto "Volldampf voraus" und knüpft so an die Steampunk-Bewegung an. Darin geht es um die Verknüpfung der Ausgeburten des Hightech-Zeitalters mit frühen technischen Errungenschaften und Moden aus den Tagen der Einführung der Dampfmaschine. Gleich nach der Eröffnung wollte in diesem Sinne eine Bastlergruppe in schwarzem Anzug beziehungsweise Frack einen Versuch starten, eine mit Dampfkraft angetriebene Telegrafenmaschine mit dem Internet zu verknüpfen. Das Vorhaben scheiterte aber, da den Hackern wenige Tage vor dem Kongress der selbstgebaute Heizkessel in Form eines abgewandelten Feuerlöschers um die Ohren geflogen war. Wer heute die Bauteile für eine Dampfmaschine über den Einzelhandel zu bekommen versuche, werde oft für verrückt erklärt, schilderte ein Vertreter der Truppe die Schwierigkeiten des Projekts. Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass die auch mit einem gängigen Dampftop arbeitende "Better Than Nothing Steam Engine" (BTNSE) im kommenden Jahr funktionsfähig sei.

Schon besser läuft der Telex-Anteil des geplanten Steampunk-Systems. Mit einem selbstgebauten Adapter und einem Netzwerktreiber schafften es die Hacker, auf einem frisch erstandenen Telex-Gerät aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts den RSS-Feed des Kongresse in Grundzügen ausdrucken zu lassen. Das Gerät böte zwar nur Übertragungsraten mit 50 Baud beziehungsweise Bit pro Sekunde. Dies sei aber nach wie vor die Standardgeschwindigkeit etwa auch bei GPS. Es gilt nun nach Ansicht der Bastler, der "Agonie" des Telex-Netzwerkes entgegenzuwirken. Die Deutsche Telekom stelle ihren entsprechenden Dienst zwar am 1. Januar ein. Trotzdem sei das Netzwerk, das bereits in den 1930ern den globalen Nachrichtenaustausch beflügelte, gerade in Zeiten der Vorratsdatenspeicherung als Rückzugsraum für die Hackergemeinde wichtig: "Die Regierung spricht immer über die Beobachtung von Internet und E-Mail, nicht die Rede ist dagegen von Telex."

Generell erklärte Pritlove zum Ablauf des Kongresses, dass es "etwas weniger Vorträge", dafür aber etwa eine "größere Lounge-Ecke" gebe. Viele CCC-Aktivisten seien noch ausgepowert vom Chaos Communication Camp im August im Berliner Umland, das über 2000 Zeltlagerfans anlockte. Die geplante Keynote mit einem international profilierten Sprecher fiel daher in diesem Jahr aus. Die auf die Beine gestellten Vorträge sollen live im Internet übertragen und in einer späteren Dokumentation auf Abruf zur Verfügung stehen.

Wie im vergangenen Jahr experimentiert der CCC wieder mit dem Sputnik-Projekt, in dessen Rahmen ein "Chaos Positioning System" mit Hilfe der Funktechnik RFID aufgebaut werden soll. Es gehe darum zu verstehen, "was starke Überwachung wirklich bedeutet", erläuterte Pritlove. Auf dem Kongress werde der Versuch aber anonym ablaufen. Erneut unter der internen Rufnummer 1042 im Kongress-eigenen Telefonnetz geschaltet ist die "Hacker Ethics Hotline". Sie soll vor allem junge Tester von Sicherheitslücken, die etwas zu stark unter Dampf stehen, davon abhalten, vorschnell möglicherweise weit reichende Hacks auszuführen. Der CCC predigt seit langem Grundsätze der Hackerethik. Sie umfassen etwa Ermahnungen, öffentliche Daten zu nützen und private Informationen zu schützen. Zudem sei es unstatthaft, in Daten Dritter "zu müllen". (Stefan Krempl)

Zum 24C3 siehe auch

(as)