Fingerhakeln der Internet-Giganten

Am neuen Tablet von Amazon lässt sich prima studieren, mit welchen Tricks Internet-Konzerne versuchen, sich gegenseitig die Kundschaft abspenstig zu machen.

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Ich hab’s nach langer Zeit mal wieder getan. Ein brandneues Gadget gekauft, gleich zum Verfügbarkeitsdatum, ohne erst Dutzende von Testberichten zu lesen, um danach sorgfältig abzuwägen.

Gut, das war jetzt sozusagen die Altherren-Variante - ich habe nicht die ganze Nacht vor einem Laden gecampt, ich musste nur online bestellen, und obwohl es Gerüchte über bevorstehende Lieferschwierigkeiten gab, klingelte pünktlich am übernächsten Tag der Paketbote, um mir das neue Kindle Fire zu überreichen.

Das Ding ist eigentlich ein Sieben-Zoll-Tablet, auf dem Googles Betriebssystem Android läuft. Amazon hat aus der vorhandenen Substanz allerdings ein Multimedia-Tablet gemacht, das vor allem für den Konsum von Amazon-Inhalten taugt. Denn das Gerät, das der Online-Händler seit vergangener Woche nun auch in Deutschland anbietet, ist solide gearbeitet, aber total zugenagelt : Viele bei Android-Usern beliebte Apps sind für den Kindle Fire nicht verfügbar, weil der Android-Markplatz Google Play durch einen firmeneigenen Appstore ersetzt wurde.

Hah, denkt sich der misstrauische Technikredakteur. Da haben wir’s. Die konnten wieder den Hals nicht vollkriegen und versuchen auf diese Weise missliebige Konkurrenz vom Kunden fernzuhalten - indem sie etwa den Zugriff auf Lese-Apps unterbinden, die kostenlose E-Books anzeigen.

Die Geschichte scheint aber komplizierter zu sein. Die Kollegen von Zeit Online schreiben, dass Amazon so stark in das Betriebssystem eingegriffen hat, dass Google dem Online-Händler keine Lizenz verliehen hat, Google-Apps einzusetzen.

Wer ist nun der Böse? Hat Amazon Google ausgesperrt, oder versucht Google Amazons Tablets unattraktiv zu machen nach dem Motto: Das ist ja gar kein richtiges Android, lieber Kunde, und deswegen auch nicht vollwertig. Da scheint es mittlerweile ziemlich merkwürdige Fingerhakeleien zu geben zwischen den Googles, Amazons und Apples dieser Welt. Blöd ist nur, dass dabei der Kunde immer mehr bevormundet wird: Ich kaufe ein Gerät, das eigentlich ein vollwertiger Computer ist. Aber ich darf es nur so benutzen, wie der Hersteller das will.

Ich will gar nicht rumnölen. Bin ja selber schuld. Niemand hat mich gezwungen, das Brettchen zu kaufen. Ich bin nur gespannt, wo das alles noch hinführt. Vielleicht fährt meinRechner demnächst automatisch runter, wenn ich Apple-kritische Texte schreibe? Weil ich damit gegen irgendwelche Nutzungsrichtlinien verstoßen habe. Das halten Sie für eine alberne Übertreibung? Ich würde nicht darauf wetten. (wst)