Die Kohlefresser

US-Firmen wollen mit Hilfe von Mikroorganismen unerschlossene Kohleflöze in Methan verwandeln, das leicht und kostengünstig gefördert werden kann.

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Von
  • Kevin Bullis

US-Firmen wollen mit Hilfe von Mikroorganismen unerschlossene Kohleflöze in Methan verwandeln, das leicht und kostengünstig gefördert werden kann.

Der Einsatz der umstrittenen Fracking-Technologie hat in den vergangenen Jahren in den USA ganz neue Erdgas- und Ölreserven erschlossen. Doch lagern in der Tiefe noch Kohlevorkommen, deren Abbau bislang zu teuer ist. Mehrere Unternehmen arbeiten nun daran, auch sie zu erschließen – mit Hilfe von Mikroorganismen, die Kohle zersetzen und in Methan umwandeln können, den Hauptbestandteil von Erdgas.

Den Anstoß hierzu gab die Entdeckung, dass in Kohleflözen immer auch große Mengen Methan vorhanden sind, die von kohlezersetzenden Mikroorganismen stammen. Mit neuen Verfahren ist es Forschern inzwischen gelungen, den Kohle-Methan-Stoffwechsel solcher Mikroben anzuregen.

Eine der Firmen, die auf diese Weise bereits zusätzlich Methan aus Kohlenminen fördert, ist Luca Technologies aus dem US-Bundesstaat Colorado. Next Fuel aus dem Bundesstaat Wyoming hat kürzlich sogar zeigen können, dass sich Methan auch in Flözen erzeugen lässt, die das Gas bislang nicht enthielten. Auf diese Weise könnten so riesige neue Erdgasquellen erschlossen werden.

Zwar sei der Einsatz von Mikroorganismen für die Methan-Produktion aus Kohle nicht neu, sagt Julio Friedmann, leitender Energietechnik-Ingenieur am Lawrence Livermore National Laboratory. Aber die Technologie habe in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht, weil man inzwischen die verschiedenen Mikrobenarten besser verstehe. „Ich kenne einige Firmen, die mit solchen Verfahren ansehnliche Methanmengen ziemlich kostengünstig fördern können“, so Friedmann. „Das hätte ich vor zwei Jahren noch nicht für möglich gehalten.“

Ein Problem war bisher, dass nicht klar war, welche Mikroben in bestimmten Flözen leben. Auch wusste man nicht, welche Nährstoffe man zu ihnen herunterpumpen muss, um ihr Wachstum anzuregen, ohne zugleich auch andere, konkurrierende Mikroorganismen zu füttern. Das sei nun möglich, weil die DNA der Einzeller inzwischen rasch sequenziert werden könne, sagt Bob Cavnar, CEO von Luca Technologies. Das Unternehmen nimmt Proben in Kohleflözen, identifiziert die darin enthaltenen Mikroben, analysiert ihre DNA und stellt daraufhin einen passenden Mix an Nährstoffen zusammen.

„Anfangs hat es nach der Probenentnahme drei Monate gedauert, bis man mit dem Wachstumsschub beginnen konnte“, sagt Cavnar. „Jetzt wissen wir innerhalb von drei Tagen, ob es in einer Lagerstätte Mikroorganismen gibt. Innerhalb von 14 Tagen können wir sagen, welche Stoffe wir hinunterschicken müssen.“

In bekannten Flözen sei dieses Produktionsverfahren trotz der niedrigen Erdgaspreise in den USA konkurrenzfähig, fügt Cavnar hinzu. Besonders vielversprechend sei die Technologie in Asien, vor allem in China. Dort ist Erdgas deutlich teurer. Das Mikroben-Methan könnte China helfen, die Stromproduktion aus schmutziger Kohlekraft zu reduzieren, die derzeit den Hauptteil der Energie für die Industrie liefert. Gaskraftwerke stoßen weniger CO2 aus und erzielen einen besseren Wirkungsgrad. Next Fuel wendet das Verfahren bereits in ersten Pilotanlagen in China und Indonesien an.

Die Frage ist nun, wieviel Methan mit dem neuen Verfahren gewonnen werden könnte. Labortests haben gezeigt, dass etwa ein Drittel der in Flözen vorhandenen Kohle umgewandelt werden könnte. Damit könnten im Powder-River-Becken in Wyoming und Montana Reserven zur Verfügung stehen, die fast so groß sind wie die zuletzt durch Fracking erschlossenen Schiefergasreserven der USA.

Julio Friedmann warnt allerdings vor voreiliger Euphorie. Es gebe noch zu viele Unbekannte, um den mikrobiellen Methanertrag aus Kohlevorkommen exakt abzuschätzen. „Die Reserven sind im großen und ganzen noch unerschlossen“, sagt Friedmann. „Wieviel sich am Ende aus den chinesischen Kohlevorkommen, den drittgrößten der Welt, herausholen lässt, weiß noch niemand.“

(nbo)