Die Kartierung des Gehirns

US-Forscher wollen mit Hilfe von Viren und DNA-Sequenzierungen die Verbindungen zwischen Hirnzellen in bislang nicht gekannter Auflösung aufschlüsseln.

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Von
  • Susan Young

US-Forscher wollen mit Hilfe von Viren und DNA-Sequenzierungen die Verbindungen zwischen Hirnzellen in bislang nicht gekannter Auflösung aufschlüsseln.

Eines der aufregendsten Forschungsgebiete der letzten Jahre ist die Arbeitsweise des menschlichen Gehirns. Wie sind die Milliarden Nervenzellen miteinander verschaltet, um Bewusstsein und Gedanken zu erzeugen, um die komplexen Körperfunktionen zu steuern? Neuroforscher am Cold Spring Harbor Laboratory in New York wollen nun mit einem neuen Projekt weitere Antworten finden: Mit Hilfe eines Virus wollen sie in einem Mäusegehirn DNA-Schnipsel von Neuron zu Neuron transportieren und aus dem Weg der DNA eine Karte neuronaler Verbindungen zeichnen – ein so genanntes Konnektom.

Damit will die Gruppe um Anthony Zador neue Erkenntnisse über Hirnanomalien wie Autismus oder Schizophrenie gewinnen. Das Projekt könnte einen wichtigen Beitrag zur noch jungen Konnektom-Forschung leisten, sagt Amy Bernard, Direktorin am Allen Institute for Brain Science in Seattle. Das Institut wurde 2003 von Microsoft-Mitgründer Paul Allen mit einem Startkapital von 100 Millionen Dollar gegründet. „Wenn man verstehen will, wie eine Krankheit oder Hirnfunktion zustandekommt, braucht man zuerst eine Liste der Bestandteile: Welche Zellen machen was, und wie passen sie zusammen?“ so Bernard.

Die Symptome etwa von Autismus oder Schizophrenie könnten von gestörten neuronalen Verbindungen im Gehirn herrühren. „Wenn wir die gesunde Verschaltung verstehen, könnten wir herausfinden, wann eine fehlerhafte Verschaltung vorliegt und worin der Fehler besteht“, hofft Bernard.

Die meisten Konnektom-Projekte versuchen bislang, die Struktur mit Kontrastmitteln und Mikroskopen aufzuklären. Damit können Forscher erkennen, welche Verbindungen zwischen verschiedenen Hirnarealen bestehen. Eine detaillierte Nahaufnahme von Synapsen, an denen zwei Neuronen miteinander verbunden sind, ist so jedoch nicht möglich.

Mit hochauflösenden mikroskopischen Verfahren lassen sich Synapsen zwar schon genauer betrachten. Doch sie sind zeitaufwendig und teuer. Wie man die Kartierung des Konnektoms beschleunigen könnte, haben die Forscher um Anthony Zador kürzlich im Wissenschaftsjournal PLoS Biology beschrieben.

Zunächst wird ein Virus mit kurzen DNA-Abschnitten ins Gehirn eingebracht. Dort breitet es sich von Neuron zu Neuron aus. Die genetischen Buchstaben der verschiedenen DNA-Schnipsel dienen dabei als Kennzeichnung für einzelne Hirnzellen. Eine Länge von 20 genetischen Buchstaben reicht bereits aus, um Billionen von Neuronen eindeutig zu kennzeichen – viel, viel mehr, als im Gehirn einer Maus existieren.

„Wir haben das Virus so modifiziert, dass es die DNA-Etiketten durch die Synapsen transportiert“, sagt Zador. „Jedes Neuron enthält dann neben seinem eigenen Etikett die Kopien von Etiketten der Neuronen, mit denen es kommuniziert.“

Hat sich das Virus im Gehirn ausgebreitet, entnehmen die Forscher Hirnproben und sequenzieren die DNA-Abschnitte in den verschiedenen Zellen. Ein Computerprogramm ermittelt dann, welche Neuronen miteinander DNA-Etiketten ausgetauscht haben – also miteinander in Verbindung stehen.

„Das ist eine hübsche Strategie, gerade weil die Kosten für die Sequenzierung immer weiter sinken“, sagt Amy Bernard. Zwar bekomme man damit kein Abbild sämtlicher Verschaltungen in einem Gehirn, was andere Projekte versuchen, aber eine deutlich bessere Nahaufnahme von neuronalen Verbindungen.

Zador hofft, dass mit den so gewonnenen Daten einige Hypothesen über die Arbeitsweise des Gehirns überprüft werden können. „Mit unserem gegenwärtigen rudimentären Wissen schießen die Hypothesen ins Kraut“, sagt der Biologe. „Wenn wir aber die neuronalen Schaltkreise besser verstehen, könnten wir irgendwann auch verstehen, wie das Gehirn arbeitet.“

(nbo)