Realistische Ziele setzen

Es ist nicht immer nur der fordernde Arbeitgeber und der anstrengende Job, der zur emotionaler Erschöpfung und Überforderung führt. Oft sind es die Mitarbeiter selbst, die sich auf den falschen Weg begeben.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Wenn es um das Thema Burn-out geht, wird sofort der Ruf nach Präventionsmaßnahmen durch den Arbeitgeber laut. Die Arbeitsbelastung, die Arbeitsverdichtung – all das muss auf den Prüfstand und im besten Falle weg. Was die wenigsten Umfragen und Studien sagen: In vielen Fällen müsste der Betroffene eigentlich vor sich selbst geschützt werden. Denn oftmals ist es nicht der Arbeitgeber, der den Mitarbeiter überfordert, sondern er selbst.

Klingt zynisch, ist aber leider wahr. Wer sich zwischen seinen Etappenzielen keine Verschnaufpause gönnt, sich selbst ständig unerreichbare Ziele setzt, sich schlicht und ergreifend aus falsch verstandenem Ehrgeiz ständig mehr abfordert als er eigentlich leisten kann, wird früher oder später ausbrennen.

Zwar ist am "positive Stress" durchaus etwas dran. Viel zu arbeiten führt nämlich nicht zwangsläufig zu einer körperlichen und emotionalen Erschöpfung. Wer selbstbestimmt arbeitet, Entscheidungsfreiheiten hat und Anerkennung bekommt, verliert auch in stressigen Zeiten seine Balance nicht. Auch der Erfolg ist einer der wichtigsten Faktoren, die Arbeitnehmer vor einem emotionalen Zusammenbruch schützen. Denn der Erfolg ist eine positive Bestätigung für den erbrachten Einsatz. Das Ziel ist erreicht, der Aufwand hat sich gelohnt, der Körper entspannt sich. Diese Entspannung bleibt dem Mensch beim Misserfolg versagt. Stresshormone überfluten seinen Körper, die Anspannung lässt nicht nach, sondern wird vielleicht noch schlimmer. Steuert der Betroffene nicht gegen, wird dieser negative Stress seine Gesundheit früher oder später schädigen.

Und genau deshalb ist es auch so schädlich, wenn Arbeitnehmer eine falsche Sicht auf sich selbst haben. Daran zu glauben, dass wirklich jeder Alles erreichen kann, mag durchaus motivierend sein. Aber nur bis zu dem Punkt, an dem der Arbeitnehmer feststellt, dass es für ihn eben doch nicht mehr weitergeht. Dann wird es Zeit, seine eigenen Fähigkeiten und Chancen neu zu überdenken und einen anderen (Um)Weg zu wählen.

An diesem Punkt entscheidet es sich, ob der Arbeitnehmer in Gefahr ist, auszubrennen oder nicht. Wer an dieser Stelle noch mehr Zeit und Kraft für das offenbar unrealistisches Karriere-Ziel investiert, kann unter Umständen Glück haben und es doch noch erreichen. In den meisten Fällen bedeutet so ein Verhalten aber nur, dass noch mehr seiner Ressourcen verschwendet wurden. Das frustriert, kostet Kraft und macht krank. Auf einem falschen Weg weiterzugehen, nur weil man ihn schon mal beschritten hat, geht selten gut.

Auch der Umgang mit Niederlagen ist wichtig, wenn es um den Schutz der Arbeitnehmerpsyche geht. Der Kollege, der immer gut drauf ist und dem offenbar alles in den Schoß fällt, nimmt Niederlagen vermutlich nur sportlicher und freut sich über Siege besonders intensiv. Und er geht in seinem Ehrgeiz niemals über seine Grenzen hinaus, sondern reagiert mit neuen Strategien oder alternativen Zielen.

Auch kann es ein Fehler sein, immer nur das große Ziel vor Augen zu haben. Zwar raten viele Ratgeber dazu, dieses stets im Auge zu behalten und sich voll darauf zu konzentrieren, doch wer immer nur dem Chefsessel vor Augen hat, kann sich über die Beförderung zum Abteilungsleiter nicht richtig freuen. Er nimmt sofort die nächste Stufe in Angriff und beraubt sich damit der Chance, den positiven Flow nach einer erreichten Zwischenetappe zu genießen. Doch genau das ist wichtig, damit der Körper nicht unter "Dauerstrom" steht. Die Anspannung muss nachlassen dürfen, sonst macht sie auf Dauer krank. Da hilft es auch nicht, wenn der angespannte Arbeitnehmer sich in seiner Freizeit auf den Sport stürzt. Denn selbstverständlich ist ihm einfaches Joggen zu wenig, es muss gleich die Vorbereitung auf den Marathon sein. Und schon sitzt er wieder in der Ehrgeizfalle, die ihn dem Burnout noch näher bringt. Oftmals ist nicht die tatsächliche Belastung das Problem, sondern die Einstellung des Arbeitnehmers (oder Unternehmers) selbst.

Deshalb: setzten Sie sich lieber kleinere Etappenziele, statt sich sofort auf die ganz große Herausforderung zu konzentrieren. Rechnen Sie immer mit dem Unberechenbaren, dass eine Neuausrichtung nötig machen kann. Und lernen Sie, sich auf die positiven Dinge zu konzentrieren und auch kleinere Erfolge groß zu feiern.
(gs)
(masi)