Sorry, das Netz ist voll

"Surfen Sie mit bis zu 100.000 Kbit pro Sekunde!" - schön wär's. DSL-Anbieter versprechen mehr als sie meistens halten können. Und sie hoffen, dass man es dann nicht merkt. Das ist ärgerlich.

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Von
  • Jens Lubbadeh

"Surfen Sie mit bis zu 100.000 Kbit pro Sekunde!" - schön wär's. DSL-Anbieter versprechen mehr als sie meistens halten können. Und sie hoffen, dass man es dann nicht merkt. Das ist ärgerlich.

Sie kennen das: „Durch ganz Europa ab 39 Euro“ lautet das Europa-Spezial-Angebot der Deutschen Bahn. Komisch nur, dass nie jemand wirklich mal ein Ticket für 39 Euro ergattert. Denn das entscheidende Wörtchen lautet hierbei „ab“. Wahrscheinlich gibt es genau ein einziges 39-Euro-Ticket für jede paneuropäische Zugverbindung. Und die ist sicher Sonntag morgens um 3:45 Uhr.

Von der Deutschen Bahn lernen, heißt siegen lernen, dachten sich offenbar die DSL-Anbieter. Vollmundig werben sie mit immer schnelleren Datenraten: „Surfen mit bis zu 100 Megabit pro Sekunde“. War bei der Bahn das entscheidende Wörtchen „ab“, sind es hier die Worte „bis zu“.

„Surfen mit bis zu 100.000 Kbit/s“ heißt es beispielsweise bei Kabel Deutschland (also 100 Megabit, aber 100.000 klingt besser). In Wahrheit übersetzt bedeutet das: Wenn Du so schnell surfen willst, dann steh gefälligst am Sonntag um 3:45 Uhr auf. Für den Rest der Zeit kriegst Du maximal 30.000 Kbit. Aber das ahnte ich noch nicht, als ich bei Kabel Deutschland meine 32-Megabit-DSL-Flatrate bestellte.

Meine 32-Megabit- ist in Wahrheit eine 20-Megabit-Flatrate – an guten Tagen. In letzter Zeit hatte ich aber kaum noch gute Tage. Um nicht zu sagen: Ich hatte nur noch schlechte. Das Surfen fühlte sich an wie 1999, als ich noch per Modem ins Netz ging. Es muss etwas bedeuten, dass Kabel Deutschland auf seiner Seite auch gleich einen DSL-Speedtest zur Verfügung stellt. Er ergab bei mir eine Maximalgeschwindigkeit von 1000 Kbit. Nur um sich das mal auf der Zunge zergehen zu lassen: Das ist ein Zweiunddreißigstel der Leistung, für die ich Monat für Monat 20 Euro an Kabel Deutschland bezahle. Aber natürlich zahle ich nicht ein Zweiunddreißigstel. Kabel Deutschland hat auch nicht bei mir angerufen und gesagt, dass meine Megaleitung nun plötzlich megalangsam ist. Das muss der Konsument heutzutage in detektivischer Kleinarbeit gefälligst selbst herausfinden.

Also rief ich an, um zu erfahren, was los ist. Die bemühte Callcenter-Mitarbeiterin teilte mir mit, dass für meinen Wohnbereich bereits Ausfälle gemeldet wurden. Das sei die gute Nachricht. Also nochmal im Klartext: Eine gute Nachricht ist, dass das Problem bereits bekannt ist. Die schlechte: Die Ausfälle werden noch bis zum Monatsende dauern (es war Anfang des Monats). Ich fragte: „Was ist der Grund für die Ausfälle?“. Ich malte mir dramatische Szenen aus: Vielleicht waren irgendwo unterirdisch Rohre geplatzt und Leitungen gerissen. Oder war es die Fliegerbombe, die wir neulich in Hamburg hatten, nicht weit von uns entfernt? Aber die Realität war viel simpler: „Das Netz ist voll“, sagte sie schlicht. Ich sagte (freundlich): „Dann sollten Sie die Netze vielleicht ausbauen?“. Sie sagte: „Ja, das sollten wir tun.“ Ich sagte (immer noch freundlich): „Und es wäre doch schön, wenn Kabel Deutschland uns erstens wenigsten Bescheid geben würde, wenn das Netz überlastet ist und die versprochene Leistung nicht erbracht wird und zweitens uns für die nichterbrachte Leistung das Geld zurück erstatten würde.“ Sie sagte: „Ja, das sollten wir auch tun.“ Sie könne uns anbieten, uns für diesen Monat 16 Euro zu erstatten. Immerhin.

Volle Netze, aber weiter vollmundige Versprechen machen. Megapeinlich, Kabel Deutschland! (jlu)