Zukunftsängste in der Ökosprit-Branche

Der Ölkonzern BP hat Pläne für die erste großindustrielle Cellulose-Ethanol-Produktionsstätte in den USA auf Eis gelegt.

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Von
  • Kevin Bullis

Der Ölkonzern BP hat Pläne für die erste großindustrielle Cellulose-Ethanol-Produktionsstätte in den USA auf Eis gelegt.

350 Millionen US-Dollar sollte die Anlage kosten und bis zu 136 Millionen Liter Treibstoff aus stark zellulosehaltiger Biomasse im Jahr herstellen: Die neue BP-Produktion im amerikanischen Highlands County in Florida war nicht gerade klein geplant. Es wäre die erste großindustrielle Cellulose-Ethanol-Fertigung in dem Land gewesen. Doch der Ölkonzern hat sich mittlerweile entschlossen, das Projekt aufzugeben, bei dem unter anderem aus Pflanzen- und Holzabfällen, Stroh und Gräsern Ökosprit hergestellt werden sollte, der die Nahrungsmittelproduktion im Gegensatz zum herkömmlichen Mais-Ethanol nicht tangiert.

BP hatte bereits damit begonnen, eine über 8000 Hektar große Farm aufzubauen, die Teile des Rohstoffs für die Treibstoff-Produktion liefern sollte. Dazu gehörte eine Form von Zuckerrohr mit besonders großem Biomasse-Anteil. Noch im vergangenen Jahr hatte der Chef von BP Biofuels das Projekt als Beweis dafür gewertet, dass die Cellulose-Ethanol-Technik endlich Wirklichkeit werde. "Ein neuer globaler Rohstoff entsteht."

Die BP-Ankündigung ist nur der jüngste Rückschlag in einer Branche, die eigentlich zu den grünen Zukunftsindustrien gehören sollte. In Amerika hatte die Umweltbehörde EPA beschlossen, dass ab 2010 mehr Biotreibstoff beigemischt werden muss. 1,8 Milliarden Liter aus stark zellulosehaltigen Quellen sollten in diesem Jahr eigentlich produziert werden, im nächsten Jahr gar das Doppelte. Die Realität sieht anders aus: Bislang wurde keine einzige Großanlage errichtet, die im kommerziellen Maßstab produzieren könnte. Die EPA musste folgerichtig Ausnahmegenehmigungen für die Treibstoffhersteller erteilen – wo es kaum Biosprit aus zellulosehaltigen Pflanzen gibt, kann auch keiner beigemischt werden.

Anfangs gaben die Hersteller den fehlenden Finanzierungsmöglichkeiten für die Großanlagen die Schuld. Doch als bedeutende Mitspieler wie BP in den Markt einstiegen, hätte sich das Problem eigentlich lösen müssen. Doch danach sieht es nun nicht mehr aus. BP gab an, man werde weiter in dem Bereich in Forschung und Entwicklung investieren, die 350 Millionen für die Anlage selbst aber nicht in die Hand nehmen, weil sie an anderer Stelle profitabler eingesetzt werden könnten. Bei der konkreten Begründung für diesen Schritt blieb BP allerdings wortkarg.

Von der Lobbyvereinigung Biotechnology Industry Organization ist zu hören, dass die wenig konkreten Signale aus der Politik die Branche schwächen. Es sei unklar, wie stark sich der Staat künftig engagiere. "Da ist es kein Wunder, dass private Investitionen eher in Richtung bestehender Technologien fließen." Es gibt aber auch noch ein ganz grundlegendes Problem: Der Markt für Ethanol gilt in den USA schon mit den alten Herstellungsverfahren als gesättigt. Bis vor kurzem erlaubte die EPA eine Beimischung von 10 Prozent Ethanol im Sprit für reguläre Fahrzeuge – die traditionelle Mais-Ethanol-Branche kann das problemlos liefern. Viele Autos könnten zwar sogar 15 Prozent vertragen, doch nur wenige Tankstellen verkaufen diese Mixturen. Der Grund: Nur neuere Fahrzeuge sind dafür offiziell zugelassen, alle anderen Fahrer müssten eine andere Station ansteuern.

Noch hat die Cellulose-Ethanol-Technologie außerdem ein Wettbewerbsproblem. Die Branche rechnet ihre ökonomischen Modelle derzeit noch mit kleineren Pilotanlagen durch und kann darüber hinaus noch nicht recht sagen, wie sich die verwendeten Enzyme und Mikroorganismen in Großanlagen verhalten. David Ripplinger, Ökonom an der North Dakota State University und Spezialist für die Ethanol-Produktion, sieht darin ein großes Problem.

Und es existieren neuere Feldstudien, wie viel der Anbau der notwendigen Ausgangsbiomasse kosten wird. Schätzte man früher nur 30 Dollar pro Tonne, könnten es realistisch gesehen eher 80 bis 130 Dollar werden. Damit fielen bereits Preise zwischen 1,30 und 1,48 Dollar pro US-Gallone an, noch bevor es zu einer Verarbeitung kommt. Mais-Ethanol ist dagegen fertig produziert für 2,40 Dollar erhältlich. Basierend auf den Kosten für die BP-Anlage in Florida könnte Cellulose-Ethanol so bis zu zehnmal höhere Kosten verursachen. Das gelte zumindest für die ersten größeren Produktionsstätten, meint Wallace Tyner, Professor für Agrarwissenschaften an der Purdue University.

Doch nicht alle Marktteilnehmer sind so negativ gestimmt. So will etwa Abengoa eine Anlage in Kansas bauen, die immerhin 95 Millionen Liter im Jahr produzieren kann. Die US-Bundesregierung leiht der Firma dafür 132 Millionen Dollar. Der Chemieriese DuPont arbeitet an einer 105-Millionen-Liter-Anlage. Poet, Gigant der Mais-Ethanol-Branche, plant ein ähnlich großes Projekt in Iowa, bei dem der Staat noch nicht einmal zuzahlen muss, weil private Investoren ein genügend großes Interesse zeigten. Mascoma will unterdessen eine 75-Millionen-Liter-Anlage in Michigan aufbauen, die zusammen mit der Ölfirma Valero entsteht. Dort soll man für 2 Dollar pro US-Gallone produzieren können.

Wirtschaftswissenschaftler Ripplinger meint, dass die BP-Entscheidung für den Ökosprit-Sektor entmutigend sei. Allerdings bestehe die einzige Erkenntnis derzeit darin, dass die Anlage in Florida mit den geplanten Ausgangspflanzen nicht funktioniere. "Die Frage bleibt, was das für die breitere Branche bedeutet." (bsc)