Kinder und Karriere kosten Kraft

Kind und Karriere lassen sich gut vereinbaren - wenn man ein Mann ist. Frauen bekommen deutlich seltener eine Chance. Und egal ob Mann oder Frau: Die Anforderungen der Familie sorgen für mehr Stress in der Arbeit.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Mit der repräsentativen Grundlagenstudie "Leben & Arbeiten in Deutschland" ist gerade die bisher umfassendste Untersuchung zu dem Thema erschienen. Im Auftrag des GfK Vereins und der Financial Times Deutschland wurden dafür 2.655 Berufstätige im Alter von 20 bis 59 Jahren befragt.

Erstes Ergebnis: Die Berufstätigen in Deutschland lassen sich vier etwa gleich große Gruppen unterteilen. Die "Berufsorientierten" sind größtenteils Männer, die viel arbeiten und gut verdienen. Beruf und Karriere stehen bei ihnen an erster Stelle. Sie haben durchschnittlich viele Kinder. Die "Familienorientierten" sind meist Frauen, die Kinder haben und in Teilzeit arbeiten. Familie ist ihnen wichtiger als Karriere oder die eigene Freizeit. Dieser Typ hat oft einen niedrigen Schulabschluss und durch die Teilzeittätigkeit meist auch ein geringes Einkommen.

Genau entgegengesetzt ticken die "Unabhängigen": Es sind meist Singles und Selbstständige, oftmals Männer. Sie verdienen gut und haben selten Kinder. Die Karriere ist ihnen wichtig, Freizeit und Freunde aber genauso.

Die "Vereinbarer" sind die jüngste und mit 30 Prozent auch die größte Gruppe. Männer und Frauen sind hier gleichermaßen vertreten. Sie haben durchschnittlich oft Kinder und sind fest entschlossen, der Karriere und dem Nachwuchs gerecht zu werden. Ihr Erfolgsrezept lautet: Teamwork und das nötige Einkommen.

Insgesamt sind zwei Drittel der Berufstätigen der Ansicht, dass sie Arbeit und Familie miteinander vereinbaren können. Wer es versucht, zahlt oft einen hohen Preis. Rund ein Drittel hat kaum noch Zeit für Freunde oder Hobbies. 57 Prozent der Befragten klagen zudem über eine hohe berufliche Belastung, die durchaus damit zu tun hat, dass Zuhause die Familie wartet. So empfinden 43 Prozent viel Stress und starken Zeitdruck bei der Arbeit. Dieser Druck hat auch gesundheitliche Probleme zur Folge: 58 Prozent leiden häufig unter Kopfschmerzen, Schlafstörungen oder Rückenschmerzen. So mancher verzichtet freiwillig auf den nächsten Karriereschritt, um den Stresspegel nicht noch weiter zu erhöhen.

Den sogenannten "Vereinbarern" gelingt der Spagat am besten: Hier sagen 76 Prozent, dass sie Arbeit und Familie gut unter einen Hut kriegen. Sie fühlen sich von der Arbeit selbst deutlich weniger gestresst als der Durchschnitt der Befragten. Wie die Umfrage zeigt, haben die „Vereinbarer“ nicht unbedingt weniger zu tun. Aber sie schaffen es besser abzuschalten und wälzen nach Feierabend keine beruflichen Probleme mehr. Diese Gruppe will Karriere machen, allerdings nicht um jeden Preis: 30 Prozent würden auf den nächsten Karriereschritt verzichten, wenn sie dadurch weniger Zeit für die Familie hätten. Darin werden sie mit 44 Prozent nur noch von den "Familienorientierten" übertroffen. Allerdings wären zugleich nur acht Prozent bereit, ihren Beruf für die Familie ganz aufzugeben - bei den Familienorientierten würden das 50 Prozent tun.

Vereinbarer haben aber nicht nur eine entspannte Einstellung, sondern auch eine besonders gute Ausgangsbasis: sie sind in der Regel höher gebildet, haben dadurch die besseren Jobs und verdienen mehr. Mit dem nötigen finanziellen Polster lässt sich die Kinderbetreuung eben leichter organisieren. Typisch für diese Gruppe ist aber auch die Gleichberechtigung der Partner: sie teilen sich die Verantwortung für die Familie, sind dadurch krisenresistenter und insgesamt zufriedener.

Eine weitere Erkenntnis der Studie: Familie und Job sind zwar anstrengend, aber Karriere pur macht auch nicht glücklich. So geben nur 41 Prozent der Berufsorientierten an, mit ihrer beruflichen Tätigkeit zufrieden zu sein - einen schlechteren Wert erreichen nur die Familienorientierten mit 40 Prozent. 72 Prozent der Karrierefixierten fühlen sich mit ihren beruflichen Herausforderungen gar nicht wohl, sondern empfinden die berufliche Belastung oft als extrem. Sie klagen übrigens genauso oft über Gesundheitsbeschwerden, wie die Familienorientierten. (gs)
(masi)