Das gedruckte Wort steht – nicht

Tinte, die sich nicht in Wasser löst, Drucke, die verschwinden: Neue Techniken lösen meine alte Print-Welt auf. Kann man sich auf nichts mehr verlassen?

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Von
  • Martin Kölling

Tinte, die sich nicht in Wasser löst, Drucke, die verschwinden: Neue Techniken lösen meine alte Print-Welt auf. Kann man sich auf nichts mehr verlassen?

Es gibt Momente, da fühle ich mich alt. Da zweifle ich daran, dass meine Erfahrungen aus der Analogzeit mir auch im Digitalzeitalter helfen, die Welt einzuordnen. In jedem Feld der Forschung scheinen neue technische Entwicklungen mir meine Gewissheiten zu nehmen. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, diese Woche Druckertechnik zum Beispiel, die sich allerdings zu einem immer rasanter werdenden Wandel zu kumulieren scheinen.

Wir sind daran gewöhnt, dass das per Tintenstrahl gedruckte Wort sich in Wasser auflöst, aber das richtig gedruckte Wort Bestand hat. Sicher, man kann Bücher oder per Laser gedruckte Dokumente verbrennen oder zerreißen. Doch ohne Gewaltanwendung überdauert das gedruckte Wort Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte, bevor das Papier vermodert. Und Tinte? Die verschwimmt, wenn Tränen auf sie tropft oder das Blatt ins Wasser fällt. Richtig? Falsch.

Dass ich bei der Tinte umdenken muss, hat mir Hewlett-Packard dieses Frühjahr bereits auf seiner internationalen Pressekonferenz in Shanghai beigebracht. Der Druckermann tauchte ein bedrucktes Blatt ins Wasser und nichts verschmierte, ganz wie im Buchdruck. Toll, dachte ich damals noch. Doch diese Woche hat Toshiba Tec einen Drucker vorgestellt, der Gedrucktes auch rückstandsfrei vom Blatt entfernen kann, ohne das Blatt zu zerstören. Die eingesetzte Technik soll so schonend sein, dass die entdruckten Blätter bis zu fünf Mal recycelt werden können. Und ich komme ins Grübeln.

"Paper reusing system Loops" nennt Toshiba Tec das Produkt, das analoges Papier und digitale Dokumentation nahtlos miteinander verbinden soll. So druckt der Drucker zum Beispiel ein Dokument, das dann im Unternehmen zirkulieren kann. Ausgelesene Papiere führt man wieder dem Drucker zu, der sie auf Wunsch scannt und digital archiviert, aber in jedem Fall auf Wiederbedruckbarkeit prüft, den Spezialtoner vom Blatt entfernt und das weiße Papier wieder in den Druckkreislauf einspeist. 14.000 Euro soll das Gerät kosten und ab 2013 zuerst in Japan und dann weltweit auf den Markt gebracht werden.

Toll, dachte ich auch in diesem Fall zuerst. Damit verschmelzen die analogen und digitalen Welten ein weiteres Stück. Dann fiel mir auf, dass sich so weitere lieb gewonnene Gewissheiten auflösen: Das gedruckte Wort verliert seinen Ewigkeitscharakter, und Tinten- ist nun dauerhafter als Tonerdruck.

Das Ganze ist nun kein großer, bewusstseinserschütternder Deal. Und doch gibt es da eine Ecke in mir, die sich merkwürdig fühlt. Wieder muss ich entlernen, umlernen, neu lernen. Eigentlich finde ich das klasse. Ein Leben lang lernen hält natürlich jung, so habe ich mir das bisher immer eingeredet. Doch plötzlich fühle ich mich alt. Denn das Tempo, mit dem ich umlernen muss, um auf dem Laufenden zu bleiben, weckt in mir ein ganz klein wenig die Sehnsucht, die technische Entwicklung für einen Augenblick einzufrieren.

Und ich frage mich, ob ich in vielleicht zehn, 15 Jahren des Lernens überdrüssig sein und zu einem Lernverweigerer werde. Einem technischen Analphabeten, belächelt von der Jugend: "Was, Opa? Du willst deinen Elektrorollstuhl nicht mit Gedanken steuern? Was? Du hast noch immer nicht begriffen, wie ein Hirnschnittstelle funktioniert? Was? Du willst deine Artikel tippen anstatt sie zu sprechen? Du bist ja sooo altmodisch. Lass' mich mal ran..." (bsc)