Schäuble sieht Gewaltkriminalität als Argument für Vorratsdatenspeicherung

Die vom Bundesinnenminister befürworteten sicherheitspolitischen Maßnahmen nutzen nach Ansicht des Innenministers vor allem den "Schwachen".

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Von
  • Peter Mühlbauer

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble argumentierte heute auf einer Wahlkampfveranstaltung des Münchner Oberbürgermeisterkandidaten Josef Schmid mit den Gewalttaten, die in den vergangenen Wochen Aufsehen erregt hatten, für die Vorratsdatenspeicherung. Erst heute Morgen haben erneut Jugendliche zwei Fahrgäste in der Münchner U-Bahn krankenhausreif geprügelt. Der CDU-Politiker meinte, dass die Festnahme der zwei Täter, die im Dezember einen Rentner überfallen haben, mittels Vorratsdaten erfolgt sei, weshalb deren Speicherung nötig sei. Allerdings wurden die Täter zu einem Zeitpunkt, an dem das Gesetz noch gar nicht in Kraft war, nicht mittels Vorratsdaten, sondern durch die Ortung eines gestohlenen Mobiltelefons ermittelt. Auch in dem zweiten spektakulären Fall wurden die Täter weder durch Vorratsdaten noch durch die ebenfalls ins Feld geführte Videoüberwachung gefasst, sondern durch Zeugenaussagen.

Artikel 6 des Grundgesetzes, der jüngst unter anderem von dem Berliner Staatsanwalt Roman Reusch als eines der Haupthindernisse für die Eindämmung von Jugendgewaltkriminalität ausgemacht wurde, will Schäuble dagegen weder im Wortlaut noch in der Interpretation antasten, denn, so der Innenminister, mit "staatlichen Eingriffen in Elternrechte" hätte "jede Diktatur des 20. Jahrhunderts angefangen". Reusch, dessen Thesen durch ein Auftrittsverbot in der ARD-Talkshow "Hart aber fair" weite Verbreitung fanden, war vorab nicht nur von der Bild-Zeitung, sondern auch vom Münchner CSU-Bezirksvorsitzenden Otmar Bernhard, der ebenfalls auf der Veranstaltung "Was zählt ist Sicherheit" sprach, ausgiebig gelobt worden.

Einen Störungsversuch durch einen schnell beendeten Sprechchor "Die Freiheit stirbt mit Sicherheit" nutzte Schäuble als Vorlage, um zu betonen, dass die Sicherheit, die er nicht in einen Internet-, sondern in den Kontext des öffentlichen Personennahverkehrs setzte, vor allem den "Schwachen" nutze, die auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen seien, weshalb gerade Befürworter eines Sozialstaates nicht dagegen sein könnten. Auch eine vor dem Gebäude stattfindende Demonstration, auf der unter anderem der Grünen-Politiker Jerzy Montag sprach, konnte Schäuble für seine Argumentation einsetzen, indem er den Zuhörern versicherte, sie könnten trotz der Demonstranten sicher nach Hause gehen, weil genug Polizei vor Ort sei, um sie zu beschützen.

Zu Details der neuen Telekommunikationsüberwachung und der auf Vorrat gespeicherten Verbindungsdaten siehe:

Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe:

(pem)