Wann wird Störerhaftung endlich entstört?

Zwei Gerichtsurteile und eine Bundestagsinitiative bringen Bewegung in das Thema Störerhaftung. Die Abmahn-Industrie ist angeschlagen, aber noch nicht am Boden.

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Zwei Gerichtsurteile und eine Bundestagsinitiative bringen Bewegung in das Thema Störerhaftung. Die Abmahn-Industrie ist angeschlagen, aber noch nicht am Boden.

Es kommt wieder Bewegung in das Thema „Störerhaftung“ – also um die Frage, wie weit der Betreiber eines offenen WLANs in die Pflicht genommen werden kann, wenn über seinen Anschluss beispielsweise Raubkopien verbreitet werden. Ziemlich viel Aufmerksamkeit gefunden hat ja das „Morpheus“-Urteil des BGH vom 15. November (I ZR 74/12). Danach haften Eltern nicht automatisch, wenn minderjährige Kinder über den Netzzugang ihrer Erzeuger illegale Sachen machen. Einige Anwälte glauben, dass der Abmahn-Industrie dadurch die Grundlage für „unzählige Filesharing-Abmahnungen“ entzogen werde, andere sind da skeptischer.

Viel interessanter finde ich aber ein Urteil des Landgerichts Köln vom 24. Oktober (28 O 391). Darin weist das Gericht eine Filesharing-Klage von vier Musikkonzernen gegen einen Familienvater ab – der war zum Zeitpunkt, als über sein WLAN angeblich Raubkopien verbreitet wurden, in Urlaub, und seine Frau hatte vor Zeugen die Stecker von PC und Router gezogen. Nun ist auch dies für sich genommen keine Entwarnung für potenzielle Abmahnopfer – wer zum Beispiel nicht glaubhaft nachweisen kann, sein WLAN ausreichend verschlüsselt oder abgestellt zu haben, der dürfte vor Gericht weiterhin ein Problem haben.

Aber der eigentliche Punkt ist doch der: Wenn das WLAN des Familienvater tatsächlich offline war, seine IP-Adresse aber trotzdem in den Logfiles der Ankläger auftaucht, dann scheint bei der Zuordnung der IP-Adressen ja offenbar einiges sehr, sehr falsch zu laufen. Bisher haben die Gerichte gerne unterstellt, dass dabei schon alles mit rechten Dingen zugehe. Das sollten sie aber nicht. Wenn sich die Zuordnung in einem Fall als unzuverlässig erweist, dann ist sie grundsätzlich unzuverlässig. IT-Leuten ist dies nicht neu. Es wird Zeit, dass sich das bei den Gerichten herumspricht.

Ceterum censeo: Störerhaftung ist falsch, weil sie regelmäßig Unschuldige trifft. Störerhaftung ist falsch, weil sie eine Abmahn-Industrie am Leben erhält, die ausgetrocknet gehört. Störerhaftung ist falsch, weil sie einen flächendeckenden freien Netzzugang unterbindet. Störerhaftung ist falsch, weil sie mit zweierlei Maß misst – für kommerzielle Betreiber gelten andere Regeln als für Privatleute. Störerhaftung ist falsch, weil sie sich an den hält, der am leichtesten zu fassen ist, den eigentlichen Täter aber entkommen lässt. Und Störerhaftung ist falsch, weil sie Rechtsunsicherheit schafft, wie die vielen unterschiedlichen Interpretationen der vielen unterschiedlichen Urteile zeigen.

Hier wäre also der Gesetzgeber gefragt, mal endlich Klarheit zu schaffen. Doch stattdessen stellt er sich tot. Die Bundestagsfraktionen von SPD und Linken haben Anträge eingereicht, die den Betrieb eines offenen WLANs rechtlich einfacher machen sollen. Die Bundesregierung will diese Vorschläge lediglich „prüfen“. Der Grünen-Politiker Konstantin Notz kommentiert das so: „Die Bundesregierung scheint sich damit zufrieden zu geben, weiterhin zu prüfen, was offensichtlich ist. Mit der Vorlage eines eigenen Entwurfs der Bundesregierung zur WLAN-Störerhaftung ist in nächster Zeit also weiterhin nicht zu rechnen.“ Ich hoffe, dass er Unrecht behält. (grh)