Singapur setzt auf Selbstgebrautes

Der Inselstaat will sich aus der Abhängigkeit von seinen Nachbarn befreien – und hat die Süßwassergewinnung im Land zum strategischen Forschungsschwerpunkt erklärt.

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Von
  • Frank Grünberg

Der Inselstaat will sich aus der Abhängigkeit von seinen Nachbarn befreien – und hat die Süßwassergewinnung im Land zum strategischen Forschungsschwerpunkt erklärt.

Es ist kein Zufall, dass Toshiba ausgerechnet in Singapur Abwasser in eine Fundgrube für kostbare Rohstoffe verwandeln will. Das japanische Unternehmen hat ein Pulver entwickelt, mit dem sich neben giftigen Substanzen auch seltene Metalle aus dem Abwasser der Chipherstellung filtern lassen. Am Ende bleibt Wasser übrig, das industriell wiederverwertbar ist. Für den Inselstaat ein doppelter Gewinn: Denn Singapur ist nicht nur ein bedeutender Standort für die Halbleiterindustrie. Es hat auch ein massives Wasserproblem.

Auf einer Fläche, die kleiner als das Stadtgebiet von Berlin ist, leben in Singapur rund 4,8 Millionen Menschen. Der Hafen und der Flughafen sind wichtige Drehscheiben für den Handel in Südostasien. Die Halbleiterbranche trägt als größter Industriezweig rund sieben Prozent zum Bruttosozialprodukt bei. Eine sichere Versorgung mit sauberem Süßwasser ist für das aufstrebende Land überlebenswichtig.

Bis in die neunziger Jahre hinein importierte der rohstoffarme Staat sein Wasser komplett aus anderen Ländern, und noch heute kommt ein Großteil über Pipelines aus dem Nachbarland Malaysia. Wenn die bilateralen Verträge im Jahr 2061 auslaufen, will Singapur seine Abhängigkeit vom Nachbarn jedoch erheblich verringert haben. Sauberes Süßwasser zu gewinnen hat der Inselstaat daher zum ressortübergreifenden Forschungsschwerpunkt erklärt und eine spezielle "4-Tap-Strategie" – Tap heißt auf Englisch Wasserhahn – dafür entworfen. Tap 1 steht dabei für die Importe. Darüber hinaus investiert Singapur massiv in das Sammeln von Regenwasser (Tap 2), die Wiederaufbereitung von gebrauchtem Wasser (Tap 3) sowie die Meerwasserentsalzung (Tap 4).

  • Nutzung von Regenwasser: Niederschlag, der auf die Insel fällt, wird inzwischen systematisch über Dächer, Straßen, Drainagen und Kanäle in insgesamt 17 Speicher geleitet und dort gesammelt. 2011 trugen schon zwei Drittel der Landfläche dazu bei. 2060 sollen es 90 Prozent sein.

  • Reinigung von Abwasser: Die Aufbereitung von gebrauchtem Wasser, auch NEWater genannt, ist mittlerweile ebenfalls weit verbreitet. "Damit decken wir heute 30 Prozent des Wasserbedarfs", sagt George Madhavan, Direktor beim nationalen Wasserversorger Public Utilities Board (PUB). "2060 wollen wir auf 50 Prozent kommen." Die erste Wiederaufbereitungsanlage für NEWater nahm die PUB 2000 in Betrieb, heute gibt es davon insgesamt vier.

    Mit neuen Technologien soll die Wasserqualität weiter steigen. Im Sommer 2011 startete etwa das Unternehmen Xylem Water Solutions eine Pilotanlage, die Abwasser mittels Oxidation reinigt. Neu an dem Verfahren ist der kombinierte Einsatz von UV-Licht, Ozon und Peroxiden. In der Regel findet das wiedergewonnene Wasser für industrielle Zwecke in der Halbleiterproduktion, der Energieerzeugung oder bei der Gebäudekühlung Verwendung. Nur ein Bruchteil davon wird mit gesammeltem Regenwasser gemischt und auf Trinkwasserstandard gereinigt.

  • Meerwasserentsalzung: Die erste Meerwasserentsalzungsanlage nahm 2005 ihre Arbeit auf, eine zweite soll 2013 folgen. Zusammen produzieren die so geförderten Projekte dann rund 450000 Kubikmeter Wasser pro Tag, was rund einem Drittel des aktuellen Bedarfs entspricht.

Um die Energieeffizienz bei der Meerwasserentsalzung zu steigern, arbeitet Siemens überdies an einem neuartigen Verfahren. Herkömmliche Anlagen basieren auf der sogenannten Umkehrosmose, bei der das Meerwasser mit Hochdruckpumpen und erheblichem Energieaufwand durch halbdurchlässige Membrane gepresst wird. Im Gegensatz dazu entwickeln die Siemens-Ingenieure eine elektrochemische Meerwasserentsalzung auf der Grundlage von Elektrodialyse und kontinuierlicher Elektrodeionisation: Beide Technologien nutzen ein elektrisches Feld, um sowohl die Natrium- als auch die Chlorid-Ionen mittels Ionenaustauschmembranen aus dem Wasser zu entfernen. Da das Wasser selbst nicht durch Membranen gedrückt werden muss, lässt sich das System bei niedrigem Druck und geringem Stromverbrauch betreiben. Den Energiebedarf für den Prozess beziffert Siemens "auf weniger als die Hälfte der besten verfügbaren Technologien". Eine Piloteinheit, die täglich 50 Kubikmeter Meerwasser zu Trinkwasser aufbereitet, ist seit Dezember 2010 im Test. Bis 2013 plant Siemens nun, in Zusammenarbeit mit dem Wasserversorger PUB eine Demonstrationsanlage im Originalmaßstab zu errichten.

Auf diesen Erfolgen aufbauend will sich Singapur als globales Technologiezentrum für die Wasserwirtschaft etablie-ren, das Vorbild für andere, ähnlich wasserarme Erdregionen werden könnte. Die notwendige Anschubfinanzierung leistet das staatliche "Environment and Water Industry Programme Office" (EWI), das mit einem Etat von mehreren Hundert Millionen US-Dollar ausgestattet wurde. "Das EWI fördert sowohl die Grundlagenforschung als auch die Kommerzialisierung von Produkten und Technologien", sagt Madhavan. "Nicht zuletzt, um sie von hier in Märkte wie China oder den Nahen Osten zu exportieren." Die Wachstumsziele kann der Manager klar benennen. Bis 2015 soll die neue Wasserindustrie 11000 Arbeitsplätze schaffen und mehr als eine Milliarde Euro erwirtschaften. Das wäre rund ein halbes Prozent des aktuellen Bruttosozialprodukts.

Der sogenannte "Waterhub" dient dabei als Zentrum. Hier können interessierte Firmen wie Toshiba, Xylem Water Solutions oder Siemens Forschungslabore eröffnen. Optiqua Technologies etwa testet im Waterhub seine innovative Sensortechnologie. Die elektronischen Fühler bestimmen den Brechungsindex, also die Änderung der Wellenlänge des Lichts gegenüber dem Vakuum. Das Besondere dabei: Die Sensoren sind so konstruiert, dass sie nahezu das gesamte Spektrum der im Wasser enthaltenen Verunreinigungen aufspüren können – obgleich sie kaum größer sind als ein Computerchip. Die verschiedenen Messdaten aus dem Minilabor lassen sich anschließend miteinander verrechnen und ergeben ein stets aktuelles Gesamtbild der Wasserqualität.

Bis Singapur sein Ziel einer weitgehenden Wasserautonomie erreicht hat, bleibt in allen vier Tap-Disziplinen noch viel zu tun. Doch Projekte wie Xylems neues Reinigungsverfahren oder die energieeffiziente Meerwasserentsalzung von Siemens weisen den Weg in die richtige Richtung. Denn eines ist sicher: Wasser zur Aufbereitung gibt es ringsum den Inselstaat mehr als genug. (bsc)