Von Fujitsu zu Kontron: Der neue Traumjob des Rolf Schwirz

Wenn jemand aus freien Stücken den Chefsessel einer 4,5 Milliarden-Umsatz-Company gegen eine CEO-Position in einem Unternehmen eintauscht, das deutlich kleiner ist, dann wirft das Fragen auf. Auch beim heise-resale-Kolumnisten Damian Sicking. Seine Erklärung: So etwas macht man nur, wenn man seinen Traumjob gefunden hat.

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Von
  • Damian Sicking

Lieber Rolf Schwirz,

Neuer Kontron-Chef Rolf Schwirz

(Bild: FTS)

der heutige Montag ist Ihr erster offizieller Arbeitstag als neuer Vorstand der Kontron AG in Eching bei München. Im Januar dann werden Sie den bisherigen CEO Ulrich Gehrmann ablösen und Chef des Herstellers von Embedded Computern sein.

Lieber Herr Schwirz, ich will ganz offen sein: Ich bin enttäuscht! Als vor wenigen Wochen, nur ein paar Tage vor der weltweiten Fujitsu-Kundenveranstaltung "Forum“ in München mit mehr als 10.000 Teilnehmern, offiziell mitgeteilt wurde, dass Sie, der CEO des Unternehmens Fujitsu Technology Solutions, das Unternehmen nach nur zwei Jahren Amtszeit wieder verlassen, da war für mich klar: Der Schwirz hat seinen Traumjob gefunden. Eine Aufgabe, für die er alles stehen und liegen läßt. Weil er schon immer von ihr geträumt hat. Sonst würde er doch nicht nach so kurzer Zeit bei Fujitsu alles hinschmeißen. Und schließlich: CEO von Fujitsu Technolgy Solution, das ist ja auch schon was, das wird nicht jeder! Und wenn man wechselt, freiwillig wechselt zumindest, dann will man sich ja schließlich verbessern. Und dann fragt man sich als Außenstehender natürlich: Was kann das für eine Position sein, die in Bezug auf den Chefposten bei Fujitsu eine Verbesserung darstellt? Da gibt es nicht soooo viele.

Kurzum: Wenn Sie, lieber Herr Schwirz, nach nur zwei Jahren an der Spitze von Fujitsu TS kündigen, dann muss Ihnen wirklich Jemand Ihren Traumjob angeboten haben. Man hat Ihnen ein Angebot gemacht, das Sie schlechterdings nicht ablehnen KONNTEN. So ähnlich wie damals, als der seinerzeitige IBM-Deutschland-Chef Erwin Staudt die Chance hatte, Präsident des Fußballclubs VfB Stuttgart zu werden. Das war für den eingefleischten Fußball- und VfB-Fan Staudt das Höchste, was er sich vorstellen konnte. Oder wie bei einem anderen ehemaligen IBM-Chef, Hermann-Josef Lamberti, der in den Vorstand der Deutschen Bank berufen wurde und dort zwar vielleicht nicht so viel Spaß wie Staudt beim VfB Stuttgart hatte, aber dafür mehr als ordentlich bezahlt wurde. Oder jetzt ganz aktuell: Achim Berg, der von Microsoft in den Bertelsmannkonzern wechselt und dort nicht nur in den Vorstand einzieht, sondern auch den Chefposten der Bertelsmann-Tochter Arvato mit fast 70.000 Mitarbeitern übernimmt. Das sind Traumjobs, zumindest für Menschen, die Karriere in Firmen und Organisationen machen wollen.

Aus diesem Grunde war ich auf Ihren Traumjob so gespannt, lieber Herr Schwirz. Und dann das: Kontron! Oje! Das soll Ihr Traumjob sein? Okay, Kontron ist ein Tecdax-Unternehmen und Sie haben außer dem Aufsichtsratsvorsitzenden niemanden mehr über sich. Aber zum einen ist Kontron mit rund 550 Millionen Euro Umsatz im Vergleich zu Fujitsu fast ein Kleinunternehmen, und zum anderen hat der Hersteller von Embedded Computern momentan gravierende Probleme. Diese Probleme sind natürlich auch ein Grund für den Austausch an der Firmenspitze. Offensichtlich trauen die Großaktionäre und der Aufsichtsrat dem noch amtierenden Vormann Ulrich Gehrmann nicht zu, das Schiff wieder auf Kurs zu bringen. Aufsichtsratschef bei Kontron ist übrigens der langjährige Deutschland-Chef der Firma Sun, Helmut Krings. Gut möglich, dass Krings Ihnen dann doch ein zumindest finanziell sehr attraktives Angebot gemacht hat. Denn die Not bei Kontron ist groß.

Nicht alle Marktbeobachter sind von der personellen Neubesetzung bei Kontron begeistert. So schreibt etwa Markus Turnwald, Analyst bei der DZ-Bank: "Wir glauben, dass sein neuer Job eine Herausforderung wird. Der neue CEO wird einige Zeit brauchen, um sich einzuarbeiten, da er aus unserer Sicht nicht sehr vertraut mit der Branche ist." Das kann man durchaus so sehen, auf der anderen Seite kann man aber auch optimistisch sein. Denn bei Fujitsu standen Sie vor zwei Jahren ebenfalls vor einem Scherbenhaufen und haben es geschafft, innerhalb kürzester Zeit sowohl die Stimmung in der Mannschaft zu verbessern als auch das Unternehmen geschäftlich wieder auf die Erfolgsspur zurückzubringen. Diese Troubleshooter-Qualitäten sind es vielleicht, die Aufsichtsratschef Krings und seine Kollegen davon überzeugt haben, dass Sie bei Kontron gerade jetzt der richtige Mann sind. Fachliche Experten gibt es bei dem Computerbauer sicher genug. Und es ist ja auch nicht so, dass Sie aus einer total anderen Welt kommen und bisher Unterwäsche oder Autoreifen verkauft haben. Insofern bin ich – jetzt muss es raus – als Kleinaktionär der Firma Kontron über Ihre Berufung sogar ganz froh (wenn auch der Aktienkurs nach der Bekanntgabe der Personalie nicht gerade durch die Decke geschossen ist – kommt sicher noch). Aber das steht auf einem anderen Blatt.

Lieber Herr Schwirz, ich hoffe sehr, dass Sie bei Fujitsu keine verbrannte Erde hinterlassen haben. Denn auch dort läuft es in diesem Jahr nicht mehr so rund, wie man hört, wofür vor allem der schwieriger werdende Hardwaremarkt verantwortlich ist. Aber auch die Investitionen in das ganze Thema Cloud-Computing sollen bisher noch nicht die erhofften Früchte getragen haben. Wenn in dieser Zeit der Kapitän von Bord geht, findet das verständlicherweise nicht jeder gut. Und noch gibt es ja keinen richtigen Nachfolger für Sie, sondern nur eine Übergangslösung. Nicht gut.

Somit haben Sie nicht nur bei mir, sondern auch bei Fujitsu Enttäuschung hervorgerufen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Aber wie heißt es im Volksmund: Jeder ist sich selbst der Nächste. Und wenn Sie meinen, dass der Chefposten bei Kontron Ihr Traumjob sei und Sie es sich Ihr Leben lang nicht verzeihen würden, wenn Sie diese Gelegenheit nicht beim Schopfe ergriffen hätten, nun, dann ist das eben so. Hätten wohl die meisten so gemacht, auch diejenigen, die das bei anderen kritisieren.

Insofern, lieber Herr Schwirz, kümmern Sie sich nicht um mich – kümmern Sie sich um Kontron.

Glück auf!

Damian Sicking

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