Work-Life-Balance auf Koreanisch

Südkoreas Hightech-Schmiede Samsung fordert Apple heraus. Eine Zutat des Erfolgsrezepts ist eine einzigartige Balance zwischen Arbeit und Freizeit. Doch übertragbar ist der Ansatz eher nicht.

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Von
  • Martin Kölling

Südkoreas Hightech-Schmiede Samsung fordert Apple heraus. Eine Zutat des Erfolgsrezepts ist eine einzigartige Balance zwischen Arbeit und Freizeit. Doch übertragbar ist der Ansatz eher nicht.

"Hi Seoul, Soul of Asia" grüßt ein Slogan an Bauzäunen und Werbetafeln Einwohner und Touristen in der südkoreanischen Hauptstadt. Tatsächlich hat sich das Land zu einem Tourismusmagneten entwickelt. Südkorea zählt fast so viele Besucher wie das mehr als doppelt so große Japan. Besonders Chinesen schauen vorbei, um teilzuhaben am südkoreanischen Wirtschaftswunderglanz, lüsternd nach Markenartikeln und vor allem nach Hightech aus Südkorea. Bei Flachfernsehern, Handys und Haushaltsgeräten geben südkoreanische Unternehmen derzeit global den Ton an. Besonders Samsung hat sich weltweit zum innovativsten Elektronikkonzern der Welt gemausert. Sogar Apple entthronten die Südkoreaner bei Smartphones – und arbeiten daran, technischen Vorsprung auszubauen.

Kein anderer Hersteller verbaut bereits so viele OLED-Bildschirme in Handys und Tablets wie die Koreaner. Flexible Bildschirme könnten kommendes Jahr folgen. Bei Chips stößt der Konzern inzwischen in Dimensionen von unter 20 Nanometern vor. Und dabei sind die Koreaner sogar noch sehr profitabel für einen Hardware-Hersteller, der viele Komponenten und Produkte in eigenen Fabriken zusammenbaut – und nicht nur wie Apple von Billiglohnproduzenten wie Foxconn in China abhängig ist. Inzwischen hat Samsung bereits einen eigenen Hype-Status aufgebaut. Die Fans erwarten immer neue technische Spitzenleistungen.

Das Tempo, mit dem die Koreaner dabei ihre Neuerungen vorlegen, ist atemberaubend, der Arbeitsstil einzigartig. Langes strategisches Planen wird durch beherztes Lossprinten ersetzt, die Richtung im Dauerspurt permanent angepasst. "Die Koreaner laufen fünf Mal in die falsche Richtung und korrigieren sich – und sind am Ende doppelt so schnell am Ziel wie wir Deutsche", sagte mir der Chef einer Landesniederlassung eines deutschen Unternehmens in Korea. Und das Beeindruckende dabei ist, dass die Koreaner trotz ihres Tempos hohe Qualität abliefern.

Die Wendigkeit wird durch hierarchische Befehlsstrukturen garantiert, das hohe Tempo durch eine einzigartige Work-Life-Balance. Bei Samsung geht es nicht darum, tagtäglich Arbeit und Leben auszubalancieren. Vielmehr zwingt der Konzern seine Mitarbeiter zum Ausgleich der Arbeitszeit über die Dauer des Arbeitslebens. Manager verschreiben sich bis ungefähr zu ihrem 50. Lebensjahr vollständig der Firma und stehen dabei extrem unter Erfolgsdruck. "Misserfolg ist nicht erlaubt, der Stress enorm hoch", sagt ein Kenner koreanischer Konzerne. Wer es dann bis 50 nicht in obere Führungsebenen geschafft hat, wird in der Regel aussortiert, bevor er zusammenbricht – auf Jobs in Tochtergesellschaften versetzt, in Regierungsämter oder akademische Position abgeschoben. "Oder die Ex-Mitarbeiter eröffnen ihre eigenen Restaurants oder werden Taxi-Fahrer", sagt ein südkoreanischer Firmenchef, der viele Freunde bei Samsung hat. Das Arbeiten ist hart bei Samsung.

Der Arbeitsstil hört sich für viele europäische – und inzwischen auch japanische – Arbeitnehmer nicht sehr reizvoll an. Aber wer bitte schön sagt, dass Work-Life-Balance täglich gelebt werden muss? Vielleicht ist ein Lebensarbeitszeitmodell wirklich sinnvoller. Es muss ja nicht ganz so radikal interpretiert werden wie in Südkorea. Dort jedenfalls ist Samsung als Arbeitgeber noch immer sehr beliebt. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass der Konzern seit Jahrzehnten erfolgreich ist – und die Bezahlung im nationalen Vergleich extrem hoch. Wer es richtig anstellt, ist dann mit 50 ein gemachter Mann. Gutes Geld gegen ausgepresste Arbeitskraft, das ist der Deal.

Nebenbei bemerkt: Ähnlich arbeitsam geht es auch in anderen südkoreanischen Firmen zu. Im "Better Life Index" der OECD sind sie die fleißigsten Arbeiter. 2193 Arbeitsstunden pro Jahr investieren sie. Fast ein Viertel der Belegschaft harrt sogar "sehr lange" in den Büros und Fabriken aus. Die Jugend sehnt sich zwar auch in Südkorea immer mehr danach, auch im Job eine ruhigere Kugel schieben zu können. Es gibt daher immer mehr Aussteiger, die zum Beispiel in moderne Kleinunternehmen oder ausländische Firmen wechseln. Aber die Arbeitsbereitschaft ist noch immer sehr hoch, berichten mir deutsche Unternehmer. "Wenn es am Wochenende bei einem Kunden brennt, wird selbstverständlich gearbeitet", sagt ein Chef. (bsc)