WCIT: Russland, China, UAE verlangen Internet-Regulierung im Telecom-Vertrag

Überraschende Wende bei der Welt-Telecomkonferenz WCIT: Ein zuerst zurückgezogener Vorschlag, der die Regulierung der Telefonnetze auf das Internet ausdehnen und nationale Internet-Segmente schaffen soll, wurde nun doch in die Verhandlungen eingebracht.

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Von
  • Monika Ermert

Bei der World Conference on International Communication (WCIT) in Dubai haben die Vereinigten Arabischen Emirate ihren umstrittenen Vorschlag für einen neuen globalen Telekommunikationsvertrag (ITR) überraschend doch noch auf den Tisch gelegt. Der von Algerien, Bahrein, China, Irak, Russland, Saudi-Arabien und dem Sudan gemeinsam gezeichnete Vorschlag sieht eine breite Definition von Telekommunikation vor. Außerdem soll der alte Vertrag, der die Zusammenarbeit bei Telefonie-Netzen regelte, auf den Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie ausgedehnt werden.

Damit würden Regelungen wie "Sender pays" und Quality of Service für die Internet-Rergulierung vorgesehen, die die im Internet gewohnte Netzneutralität und Gleichbehandlung aller Daten aushebeln können. Auch das von Russland vorgeschlagene Internetkapitel ist wieder aufgeführt; es sieht "nationale Internetsegmente" vor, die von den jeweiligen Staaten reguliert werden sollen.

Viele Delegierte reagierten überrascht auf die Vorlage des hoch umstrittenen und zunächst auf WCITLeaks veröffentlichten Dokuments. Zumal es unmittelbar vor der angekündigten Veröffentlichung eines ITR-Entwurfs durch den Vorsitzenden der Konferenz, Mohamed Al Ghanim, kommt. Überdies hatte die ITU selbst per Twitter mitgeteilt, der Vorschlag sei "zurückgezogen", was so von der Delegation der Gastgeber allerdings nicht bestätigt worden war. Der Verzicht, das Dokument am Montagabend im WCIT-Plenum zu diskutieren, veranlasste viele Beobachter dazu, den Vorstoß für gescheitert zu erklären.

Noch am Vormittag hatte sich US-Botschafter Philip Verveer gegenüber heise online optimistisch gezeigt, dass in den Verhandlungen, die Al Ghanim im kleinen Kreis mit den Vertretern der Regionen und großen Mitgliedsstaaten geführt habe, ein Kompromiss gefunden werde. Auch ITU-Generalsekretär Hamadoun Touré habe in den vergangenen Monaten immer wieder unterstrichen, dass das Internet und die Internetverwaltung nicht Gegenstand der WCIT-Verhandlungen seien und nicht in die ITR aufgenommen würden. "Wir werden ihm beim Wort nehmen", sagte Verveer. Die USA, aber auch die EU und die vom Bundeswirtschaftsministerium geleitete deutsche Delegation haben die Ausweitung aufs Internet als rote Linie bezeichnet, die nicht überschritten werden dürfe.

In einer ersten Reaktion auf die nun doch erfolgte Einbringung des Vorschlags zur Internet-Regulierung in die WCIT-Verhandlungen zeigte sich Touré trotz der unerwarteten Entwicklung weiter optimistsch. Der Kompromissvorschlag werde am Abend im Plenum diskutiert, betonte Touré. Der Aufstand derjenigen, die das Internet zum Gegenstand einer wenn auch sehr allgemein gehaltenen Regulierung machen wollen, spiele keine Rolle, versuchte Toure zu beschwichtigen. Ein Scheitern der Konferenz, auch ein mögliches Nicht-Zeichnen der künftige ITR durch die USA, die EU oder einzelne Mitgliedsstaaten, wäre eine empfindliche Niederlage für die ITU.

Den Vorschlag der Vereinigten Arabischen Emirate Algerien, Bahrein, China, Irak, Russland, Saudi Arabien und dem Sudan hat dot.nxt veröffentlicht. Die Seite erfordert eine kostenlose Registrierung.

Ein auch online verfügbarer Artikel in der aktuellen c't 26/2012 verdeutlicht Hintergründe und Interessenlagen zur World Conference on International Telecommunications:

Eine Themenseite versammelt die Berichte von heise online zur WCIT:

(jk)