Online-Werbung, die kleben bleibt

Ein Start-up arbeitet an einer Software, mit der Internet-Reklame Nutzer von Gerät zu Gerät "verfolgen" kann.

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Von
  • Jessica Leber

Ein Start-up arbeitet an einer Software, mit der Internet-Reklame Nutzer von Gerät zu Gerät "verfolgen" kann.

Kamakshi Sivaramakrishnan nennt sich selbst einen "Werbe-Quant". Die meisten Menschen mit einem Doktortitel in ihrem Forschungsgebiet, der Informationstheorie, hätten sich wahrscheinlich von der Wall Street anwerben lassen oder wären an der Universität gelandet. Doch bei ihr war das anders.

Sie entschied sich stattdessen dafür, in den Bereich der Internet-Reklame zu gehen – zuerst bei Google und nun mit ihrem Start-up Drawbridge. Die junge Firma soll ein zentrales Problem lösen, das viele Online-Firmen betrifft: Wie schafft man es, genügend Werbung zu verkaufen, wenn die Nutzer zunehmend auf mobile Geräte wechseln? Drawbridge nutzt dazu Methoden aus der Statistik, mit denen es möglich sein soll, die gleichen Nutzer sowohl auf PC, Tablet oder Smartphone zu erreichen. Die Technik der Firma hat bereits das Interesse bekannter Geldgeber geweckt – darunter KPCB und Sequoia Capital, zwei der berühmtesten Risikokapitalfirmen im Silicon Valley. Sie steckten insgesamt 6,5 Millionen Dollar in Drawbridge.

Das Start-up setzt auf das sogenannte Retargeting, bei dem Nutzer im Laufe ihrer Surftouren auf bereits besuchte Angebote erneut aufmerksam gemacht werden. "Im Web ist das eine mächtige Strategie und wir bauen hier eine Brücke zu den Mobilgeräten", sagt Sivaramakrishnan. Beispielsweise "weiß" die Firma, dass ein Nutzer die Website eines E-Commerce-Anbieters auf dem Heim-PC besucht hat, und zeigt dann eine Werbung dafür am nächsten Tag auf dem Smartphone.

Drawbridge hat laut eigenen Angaben mehr als 200 Millionen Geräte über anonyme Nutzerprofile "gematcht". Diese Profile erlauben es Kunden angeblich, ihr Return-On-Investment zu verdoppelt oder zu verdreifachen – seien es nun Reise-Websites oder Online-Händler. Die Firma nutzt diese Methoden außerdem, um Entwicklern mobiler Apps Nutzer zuzuführen, die mit einer vergleichsweise großen Wahrscheinlichkeit bei dieser Software bleiben.

Mittlerweile versucht eine Reihe von Start-ups, verbesserte Tracking-Methoden zu entwickeln, um Nutzer über Gerätegrenzen hinweg zu erreichen. Der Markt ist potenziell groß – vor allem deshalb, weil die Werbebranche noch immer nicht mit der Geschwindigkeit in den Mobilmarkt gegangen ist, mit dem es Nutzer zu tun scheinen. Mary Meeker von KPCB schätzt, dass 2011 nur ein Prozent der Werbegelder in den USA in den Mobilmarkt floss, obwohl die Nutzer schon damals im Schnitt 10 Prozent ihres Medienkonsums mit Smartphones und Co. verbrachten.

Ein Problem bleibt die Strahlkraft mobiler Anzeigen – sie gilt als großes Fragezeichen. Sivaramakrishnan, die vorher beim mobilen Werbenetz AdMob gearbeitet hatte und darüber dann zu Google kam, glaubt, dass der Targeting-Bereich sich nicht schnell genug entwickelt. Das sei ein Grund gewesen, warum sie Google verlassen habe.

Drawbridge setzt auf Cookie-Daten, die den Werbeserver mit jeder Anfrage eines Browsers erreichen, sei es nun von einem PC, einem Smartphone oder Tablet aus. Ein sogenannter Bridging-Algorithmus soll dann die Wahrscheinlichkeit berechnen, mit der zwei zufällige Cookies von verschiedenen Geräten zur gleichen Person gehören. Die Web-Cookies, die Drawbridge nutzt, verwenden relativ harmlose, anonymisierte Informationen wie etwa die Art des Browsers, die aufgerufene Website und einen Zeitstempel. Statt mit dem sogenannten Device-Fingerprinting zu arbeiten, bei dem Geräte genau identifiziert werden, nutzt Drawbridge keine Technik, mit der Nutzeraktivitäten überwacht werden können, betont Sivaramakrishnan. Auch Ortsdaten und Geräte-IDs setze man nicht ein. "Wir triangulieren Nutzerverhalten. Während wir den Nutzer beobachten, kommen wir ihm immer näher." Sobald ein gewisser Wahrscheinlichkeitswert überschritten wird, dass zwei Cookies die gleiche Person repräsentieren, wird ein "Match" ausgegeben. Die Privatsphäre wolle man dabei beachten.

Drawbridge besteht derzeit aus 23 Leuten, hat aber bereits andere Manager von Google und Yahoo abgeworben. Die Firma wächst schnell und hat kürzlich ihr erstes Produkt aus der Betaphase geholt. Sivaramakrishnan nennt derzeit noch keine Kunden, sagt aber, dass die Firma bereits mit fünf der zehn größten mobilen Spielefirmen arbeitet und mit drei der fünf größten Online-Reiseanbieter.

Eric Picard, Chef des Start-ups Rare Crowds, der früher bei Microsoft als Werbetechnologie-Stratege gearbeitet hat, hält die Drawbridge-Technik für einen vielversprechenden Ansatz. Es gebe einen Bedarf bei den großen Plattformen, Nutzer effizient über mehrere Geräte zu "tracken". Er frage sich aber, ob die Nutzerprofile wirklich anonym seien – auch wenn darin keine persönlichen Informationen wie Namen oder E-Mail-Adressen vorkommen. (bsc)