Dr. Gadget

Scanadu hat ein Tricorder-artiges Gerät vorgestellt, das zusammen mit einem Smartphone medizinische Diagnosen ermöglichen soll.

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Von
  • Rachel Metz

Scanadu hat ein Tricorder-artiges Gerät vorgestellt, das zusammen mit einem Smartphone medizinische Diagnose für Endkunden ermöglicht.

Die meisten Menschen gehen zum Arzt, wenn sie ihren Gesundheitszustand überprüfen lassen wollen. Bei Walter De Brouwer ist das etwas anders: der Chef und Gründer von Scanadu hält sich zunächst ein kleines Quadrat an die Schläfe und liest das Ergebnis auf seinem Smartphone-Bildschirm ab.

Ein echter Medizindetektor wie im "Star-Trek"-Universum ist das kleine Gerät zwar noch nicht. Doch immerhin nimmt das "Scout" genannte Gadget am Qualcomm Tricorder X Prize teil, einem über mehrere Jahre laufenden Wettbewerb, der 10 Millionen Dollar für denjenigen ausgelobt hat, dem eine solche Maschine für den Medizinbereich glückt.

Der Scout soll bis Ende 2013 in den Handel kommen. Er ermittelt unter anderem Herzfrequenz, Temperatur und Blutsauerstoff und verbindet sich dazu mit einem iPhone. Zwei weitere Produkte plant Scanadu: ein Gerät zur Urinanalyse, mit dem sich schnell Schwangerschaftsprobleme, Harnwegsinfektionen und Nierenprobleme diagnostizieren lassen, sowie ein Speichelanalysesystem, mit dem Atemwegserkrankungen wie eine Streptokokken-Infektion oder Grippe nachgewiesen werden können. Der Scout wird weniger als 150 Dollar kosten, die beiden anderen Geräte, die als Wegwerfprodukte angeboten werden, sollen laut De Brouwer "sehr, sehr billig" sein.

Die Scanadu-Technik könnte Vertreter der "Quantified Self"-Bewegung anlocken, die versuchen, nahezu alles zu tracken, was der menschliche Körper hergibt – vom Schlafrhythmus bis zum Stressniveau. Der Mathematiker und Unternehmer Stephen Wolfram, selbst QS-Fan, sitzt im Aufsichtsrats von Scanadu.

Die Idee für das Gerät kam nach einem langen Krankenhausaufenthalt von De Brouwers Sohn. Der hatte sich vor sechs Jahren ein Hirntrauma zugezogen, nachdem er aus einem Fenster gestürzt war. Ein Jahr lang blieben De Brouwer und seine Frau fast immer im Krankenhaus bei ihrem Nachwuchs. Der Unternehmer und ehemalige Verleger eines PC-Magazins versuchte dabei, so viel wie möglich über die Technik in den verschiedenen medizinischen Geräten zu erfahren, die ihn im Krankenzimmer umgaben.

Bei einer Demonstration in San Francisco zeigte De Brouwer vor kurzem, wie der Scout in der Praxis funktioniert. Der Prototyp ist ungefähr so groß wie das kleine Laptop-Netzteil von Apple. Die Seite, die den Kopf des Nutzers berührt, enthält Elektroden und ein Thermometer. Der Scout wird mit Daumen und Zeigefinger angefasst – ein Finger berührt dabei eine weitere Elektrode und der andere einen PPG-Scanner, der den Blutfluss misst. Aus PPG-Messwert und der Herzfrequenz lässt sich der Blutdruck berechnen, erläutert Alan Greene, medizinischer Leiter bei Scanadu.

Die Daten, die der Scout sammelt, werden über eine stromsparende Bluetooth-Verbindung an ein iPhone weitergeleitet, das der Nutzer in seiner anderen Hand hält. Nach rund 10 Sekunden ist der Scan- und Analyseprozess abgeschlossen und die Scanadu-Software übermittelt Puls-, Temperatur und andere Messwerte. De Brouwer erwartet, dass Nutzer das Gerät einmal am Tag einsetzen werden. Aus dem Add-on könnte eines Tages außerdem eine Technik werden, die in Smartphones und andere Geräte direkt eingebaut wird. Eine "passive Datenerfassung" sei das Ziel, damit Nutzer sich nicht mehr selbst darum kümmern müssten, sagt De Brouwer.

Auch die Wegwerftests stehen schon in Prototypform bereit. Es handelt sich um dünne blaue Kunststoffkästchen. Der Nutzer spuckt oder uriniert in die dafür vorgesehene Fläche, fotografiert mit seinem Smartphone einen auf dem Gerät befindlichen QR-Code und einen Anzeigebereich mit dem Testergebnis. Dieses wird dann per App entschlüsselt. Wird eine Erkrankung festgestellt, schlägt die Software Behandlungsmöglichkeit vor, weist den Weg zur nächsten Apotheke und teilt mit, ob und wie viele andere Menschen in der Umgebung an ähnlichen Symptomen leiden.

Abzuwarten bleibt, wie Ärzte auf Scout und Co. reagieren – und Konsumenten, die bislang daran gewöhnt sind, Mediziner direkt zu konsultieren. Ki Chon, Professor am Worcester Polytechnic Institute und Spezialist für biomedizinische Geräte auf Smartphone-Basis, glaubt, dass die Technik nur dann nützlich sein kann, wenn die Ergebnisse stets akkurat sind.

Leslie Saxon, Exekutivdirektorin am Center for Body Computing der University of Southern California, empfiehlt daher klinische Studien, um dies zu belegen. Grundsätzlich seien die Möglichkeiten aber spannend. "Scanadu könnte Patienten helfen, eine aktivere Rolle bei ihrer Gesunderhaltung zu übernehmen." Zu selten diagnostizierte Krankheiten wie Bluthochdruck seien so leichter festzustellen.

Um Skeptiker zu besänftigen, will Scanadu eine Zulassung von der US-Gesundheitsaufsicht FDA für seine Geräte beantragen. Außerdem spricht die Firma laut Chef De Brouwer derzeit mit mehreren Krankenhäusern, um klinische Studien einzuleiten. (bsc)