Googles China-Problem

Der Internet-Gigant hat mit seinem Smartphone-Betriebssystem Android im Riesenreich zwar Erfolg. Doch die richtigen Profite machen andere.

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Von
  • Jessica Leber

Der Internet-Gigant hat mit seinem Smartphone-Betriebssystem Android im Riesenreich zwar Erfolg. Doch die richtigen Profite machen andere.

China ist gerade dabei, die USA als wichtigsten Smartphone-Markt der Welt zu überholen – und der Erfolg, den dort besonders das Mobilbetriebssystem Android hat, müsste beim Internet-Konzern Google, der hinter der Software steckt, eigentlich für Jubel sorgen. In China ist der Markt an billigen Android-Geräten geradezu explodiert. Apples iPhone wurde in den letzten drei Jahren problemlos eingeholt, mittlerweile machen Handys mit der Google-Technik drei Viertel aller ausgelieferten Geräte aus.

Dabei wird allerdings nur selten erwähnt, dass der Online-Riese selbst kaum vom Android-Wachstum in China zu profitieren scheint. Der Grund: Die meisten dort verkauften Geräte werden ohne die werbefinanzierten Apps und Dienste ausgeliefert, mit denen Google auf der Android-Plattform normalerweise sein Geld verdient. Auch der Google Play Store, über den in den westlichen Ländern Software von Drittanbietern, Musik, Bücher und Videos vermarktet werden, fehlt zumeist. Das bedeutet, dass Google in China letztlich die beiden Hauptwege fehlen, über die das Unternehmen im Rest der Welt Umsätze mit dem für die Gerätehersteller kostenlosen Mobilbetriebssystem generiert.

Der Chef von Baidu, der populärsten Web-Suche in China, meint, dass mittlerweile 80 Prozent der Android-Geräte in China mit Baidus Suchdienst ausgeliefert werden und nicht mit Googles Angeboten. Dabei hätte Android ein Türöffner für das Unternehmen in diesem inzwischen weltgrößten Internet-Markt sein sollen. "Google könnte der große Gewinner im Land sein", meint Kai-Fu Lee, der früher die Geschäfte des Konzerns in China leitete.

Lee kennt die Probleme genau. Er wurde einst von Microsoft abgeworben, um das Google-Büro in Peking zu übernehmen. Doch 2010 fuhr Google seine Aktivitäten deutlich zurück. Der Grund: Das Unternehmen hatte sich entschlossen, nicht mehr den rigiden Zensurbedingungen der chinesischen Regierung zu folgen. Google warf Peking außerdem vor, Hackerangriffe auf die Server des Konzerns durchgeführt zu haben.

Mittlerweile ist klar, dass Google einen hohen Preis dafür bezahlt. Die Entscheidung fiel ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als der chinesische Mobilmarkt so richtig Gas gab. Weil Google keine eigenen Server für Dienste wie Google Play und Google Web Search mehr in China hat, sind die Angebote kaum zu benutzen. Google Play leidet unter Anbindungsproblemen, Die Google-Suche ist nun in Hongkong angesiedelt und leidet ebenfalls unter Zensurmaßnahmen und Traffic-Ausfällen. "Google wird seine Situation nicht verbessern, solange die Firma nicht das Problem der fehlenden starken Präsenz in China gelöst hat", meint Nicole Peng, Forschungsdirektorin des Shanghai-Büros bei der Marktforschungsfirma Canalys.

Nicht nur Google Play und Web-Suche funktionieren in China nicht, auch der E-Mail-Dienst Gmail wird gerne blockiert oder verlangsamt. Der hauseigene Kartendienst ist unterdessen unpopulär, weil ihm Daten in China fehlen und er zu selten aktualisiert wird. Google wartet hierfür auf eine Lizenz der Regierung.

Das steht im starken Kontrast zu Apple. Auf dem iPhone kontrolliert der Hersteller seine Software – und streitet sich nicht mit der chinesischen Regierung im Bereich Zensur. Den Google-Maps-Dienst hat das Unternehmen bereits von seinen Geräten genommen und ihn durch einen eigenen Kartenservice ersetzt – allerdings nicht nur in China, sondern auch im Rest der Welt.

Auch chinesische Firmen versuchen, Google-Dienste zu ersetzen. Baidu hat seinen eigenen mobilen Such- und Kartendienst und kürzlich ein Cloud-Angebot gestartet, das Entwicklern helfen soll, Apps für Android-Geräte zu bauen. Die Chat- und Bezahlanwendung WeChat von Tencent gilt als populär. Und Firmen wie Xiaomi haben angepasste Versionen von Android entwickelt, die Gerätebesitzer nach dem Kauf auf ihre neuen Google-Telefone aufspielen können.

Google veröffentlicht seine Umsätze in China nicht, doch ein großer Teil des Geldes dürfte aus dem Bereich der mobilen Werbung kommen – beispielsweise von der Tochter AdMob, einer Plattform, die Anzeigen auf verschiedenen Geräten ausliefert.

Doch der Konzern benötigt noch andere Wege, um diesen großen und weiter wachsenden Markt anzuzapfen. Das erklärt vermutlich, warum die Firma versucht, mehr Kontrolle über die Android-Verwendung durch Geräteanbieter zu erlangen. Im Dezember setzte Google den Hersteller Acer unter Druck, weil dieser ein Gerät mit einem Betriebssystem des chinesischen E-Commerce-Riesen Alibaba ausliefern wollte. Google gab an, dass Alibaba sich heftig bei Android bediente, ohne ausreichend Kompatibilität zu anderen Android-Anwendungen herzustellen. Im Alibaba-App-Laden sollen sich zudem Anwendungen befunden haben, die sehr nah an Googles Originaltechnik waren, wie Android-Boss Andy Rubin schimpfte. Alibaba betonte, sein System basiere auf dem freien Betriebssystem Linux und sei nicht von Android abgeleitet.

Bislang ist es konkurrierenden Plattformen noch nicht gelungen, den Android-Marktanteil zu verkleinern, obwohl beispielsweise Microsoft sich auch in China daran versucht. Google dürfte allerdings wenig Erfolg haben, die örtlichen Hersteller davon abzuhalten, Android nach Herzenslust anzupassen – auch wenn dann eben neue Versionen entstehen. "Es gibt keine Kontrolle. Die virale Natur der Software ist für ihren Erfolg verantwortlich, gleichzeitig aber auch ihre Achillesferse", meint Mobilfunkanalyst Horace Dediu.

Bei Google dürfte man inzwischen gelernt haben, dass der Konflikt mit der Regierung in China Marktanteile kostet. Marktforscherin Peng glaubt aber nicht, dass es dabei bleiben wird. Es sei durchaus möglich, dass Google sich mit voller Wucht wieder in diesen Markt begibt. "Der Grund ist einfach: China ist zu wichtig für Googles Geschäft." (bsc)