Mehr Gigahertz für alle

Die US-Regierung will mit einer neuen flexiblen Frequenzteilung das Spektrum für drahtlose Verbindungen deutlich erweitern. Es ist der größte regulatorische Eingriff seit Jahrzehnten.

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Von
  • David Talbot

Die US-Regierung will mit einer neuen flexiblen Frequenzteilung das Spektrum für drahtlose Verbindungen deutlich erweitern. Es ist der größte regulatorische Eingriff seit Jahrzehnten.

Der Äther der Innenstädte ist rappelvoll: Nicht selten überlagern sich schon in der eigenen Wohnung ein Dutzend benachbarter WLANs, und immer Menschen gehen über ihr Smartphone online. Cisco schätzt, dass der mobile Datenverkehr sich bis 2016 verachtzehnfacht, die Bell Labs erwarten gar eine Zunahme um den Faktor 25. Darauf reagiert in den USA nun die Federal Communications Commission (FCC): Sie will mit einer neuen flexiblen Frequenzteilung das Spektrum für drahtlose Verbindungen deutlich erweitern – der größte regulatorische Eingriff seit Jahrzehnten.

Die FCC will hierfür den Frequenzbereich zwischen 3550 und 3650 Megahertz freigeben, der bislang von Radarsystemen genutzt wurde. Die Regelung sei ein „kritischer Meilenstein“, sagt David Tennenhouse, Vice President für Technologiepolitik bei Microsoft. Das neue Frequenzschema erweitere nicht nur das Spektrum, sondern ermögliche auch eine „dynamische Nutzungsverteilung“ des Spektrums.

Die neue Regelung wurde von der FCC am Mittwoch mit einer „Notice of Proposed Rulemaking“ auf den Weg gebracht. Ein formeller Regulierungsbeschluss wird noch folgen. Danach können sich Netzbetreiber, Unternehmen oder Forschungseinrichtungen künftig an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten Abschnitte des neuen Frequenzbereichs reservieren. Wer wann und wo auf welcher Frequenz funkt, ist in einer zentralen Datenbank vermerkt. So will die FCC in Ballungsgebieten Interferenzen vermeiden, wenn zu viele Nutzer unreguliert auf allen verfügbaren Frequenzen Daten übertragen.

Die reservierten Frequenzabschnitte sollen zunächst kostenlos sein. Je nach Nachfrage behält sich die FCC aber vor, Nutzungsgebühren einzuführen. In dem neuen System könnte dann etwa ein Mobilfunk-Netzbetreiber bei hohem Datenaufkommen für kurze Zeit Frequenzen exklusiv mieten. Ein Forschungslabor, das die Frequenzen sonst kostenlos nutzt, müsste für diese Zeit eine Unterbrechung in Kauf nehmen – oder eben selbst zahlen.

Für Start-ups könnte sich die neue Frequenzvergabe als praktisch erweisen. Anstatt mobile Dienstleistungen in überfüllten Frequenzbändern testen zu müssen, könnten sie sich einen eigenen Testbereich reservieren – derzeit kostenlos, später zu vergleichsweise geringen Kosten.

Die FCC verabschiedet sich mit der neuen Regelung von der bisherigen Politik, Frequenzbereiche entweder exklusiv zu vergeben – an Unternehmen oder Behörden – oder völlig ungeregelt freizugeben. Sie folgt den Empfehlungen eines Reports, den der Wissenschafts- und Technologiebeirat des Weißen Hauses im Juli 2012 veröffentlicht hatte. Unter den Autoren waren unter anderem Craig Mundie, Leiter Forschung und Strategie bei Microsoft, und Eric Schmitdt, Vorstand von Google. Der Report hatte vorgeschlagen, die Nutzung der Frequenzen durch ein neues Teilungsschema effizienter zu machen.

Julius Genachowski, Vorsitzender der FCC, hatte daraufhin im September erklärt, seine Behörde werde einen Teil des Frequenzspektrums nach diesem Modell öffnen. Damit sollten weitere Innovationen bei mobilen Anwendungen angestoßen werden.

Die meisten Netzbetreiber nutzen bereits das 2,4-Gigahertz- und das 5-Gigahertz-Band, um ihre Mobilfunknetze etwa in Stadien oder auf Bahnhöfen zu entlasten. In beiden Bändern gibt es keine Lizenzen für die Frequenznutzung.

Bislang wurden Technologien für eine geteilte Frequenznutzung nur in Forschungslaboren praktiziert. Dipankar Raychaudhuri, der an der Rutgers University das Labor für drahtlose Übertragungstechniken leitet, geht davon aus, dass diese Verfahren wegen der neuen Regelung bald auch im Mobilfunkmarkt eingesetzt werden. „Es gibt aber noch eine Diskussion darüber, ob die Netzbetreiber dazu übergehen, kleine Zellbänder zu teilen, auch wenn das nur ein Zusatzdienst ist“, sagt Raychaudhuri. Der müsste allerdings nicht so zuverlässig sein wie große Sendestationen.

(nbo)