Frommer Wunsch: Weihnachtsgeschenke beim Händler vor Ort kaufen

Der Präsident des Gewerbeverbands Bayern appellierte in der vergangenen Woche an die Verbraucher, ihre Weihnachtsgeschenke doch bitteschön in den Ladengeschäften am Ort zu kaufen und nicht im Internet. Da fragt man sich: Steht es um den stationären Einzelhandel tatsächlich schon so schlimm?

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Von
  • Damian Sicking

Lieber Ingolf F. Brauner, Präsident des BDS Bund der Selbständigen Gewerbeverband Bayern e.V.,

Verbandspräsident Ingolf F. Brauner

(Bild: BDS)

dass der stationäre Einzelhandel in Deutschland darunter zu leiden hat, dass immer mehr Verbraucher ihre Waren im Internet bestellen, ist bekannt. Doch die Lage scheint brenzliger zu sein als viele denken. Wie sonst soll man es sich erklären, dass Sie in er der vergangenen Woche die Bürger öffentlich dazu aufriefen, dem stationären Einzelhandel zu helfen? "Wir appellieren an die Konsumenten“, wurden Sie zum Beispiel am vergangenen Samstag in der Süddeutschen Zeitung zitiert, "ihre Weihnachtseinkäufe im Einzelhandel am Ort zu erledigen.“ Ein eifriger Redakteur der in Ober- und Niederbayern erscheinenden Zeitung Wochenblatt erklärte den Lesern auch warum: Dies sei nämlich besser, als "das Geld internationalen Versandmultis hinterherzutragen, die dreist weltweite Steuerschlupflöcher nutzen“. Eine Spitze gegen Amazon, was informierten Verbrauchern natürlich sofort klar war. Bis Sonntag Vormittag wurde der Wochenblatt-Artikel im Internet immerhin über 30 Mal "geliked“. Ja, die Bayern, die wissen, was sie an Ihrem Einzelhandel haben ("Mir san mir.“), und sollten sie es aus Versehen mal vergessen, dann findet sich mit Sicherheit immer jemand, der sie daran erinnert.

Aber unter uns, lieber Herr Brauner: Steht es wirklich so schlimm um den stationären Einzelhandel? Ihr Appell an die Bürger (und deren Gewissen?) klingt ja dramatisch, schon fast wie ein Spendenaufruf. Fehlt nur noch die Gründung einer Bürgerinitiative zur Rettung des stationären Einzelhandels inklusive Unterschriftensammlung zur Vorlage bei den politischen Würdenträgern. Ich jedenfalls fühlte mich ganz spontan an die die Geschichte der linken Tageszeitung taz erinnert. Da gab es ja in der Vergangenheit auch immer wieder Appelle an die Allgemeinheit, die Zeitung zu kaufen, weil sie sonst pleite gehen würde.

Apropos Zeitung: Die Branchen sind verschieden, die Probleme aber ähnlich. Was die stationären Ladengeschäfte im Handel, sind die Tageszeitungen in der Presselandschaft. Beide stehen gleichermaßen unter Druck, und verantwortlich dafür ist in beiden Fällen das Internet. Sicherlich haben Sie auch mitbekommen, dass die traditionsreiche Tageszeitung Frankfurter Rundschau Insolvenz anmelden musste und dass die Wirtschaftszeitung Financial Times Deutschland eingestellt wurde, weil sie auf keinen grünen Zweig kam. Branchenbeobachter sprechen ja heute von der Krise der Printmedien in Deutschland, vor allem der Tageszeitungen. Viele Artikel kann der Verbraucher im Internet lesen und dazu auch noch kostenlos. Kein Wunder, dass er sich fragt, wozu er dann noch Geld für die Tageszeitung ausgeben soll. Wo ist der Mehrwert des gedruckten Wortes? Und genauso im Handel: Wo ist der Mehrwert des stationären Ladengeschäfts? Gerade jetzt veröffentlichte das Statistische Bundesamt eine Untersuchung, derzufolge auch immer mehr ältere Menschen im Internet einkaufen. Tendenz: weiterhin steigend. Oje, denkt man da, wenn schon nicht einmal mehr die Alten im Ladengeschäft kaufen…

Aber natürlich gibt es diese Mehrwerte, sowohl im Zeitungs- als auch im Handelsgeschäft. Sie, lieber Herr Brauner, haben in Ihrem Appell für den Kauf im stationären Handel zwei genannt: Nur dort, sagten Sie, "gibt es kompetente Beratung und freundlichen Service von Mensch zu Mensch.“ Der Satz ist schön, stimmt aber nur zum Teil. Denn die kompetente Beratung findet man inzwischen auch bei Anbietern im Internet. Und viele Kunden finden den Service der Online-Shops, die bestellte Ware direkt ins Haus zu liefern, auch ganz gut. Trotzdem haben Sie recht: Die direkte Mensch-zu-Mensch-Kommunikation, die findet man nur im Ladengeschäft. Dies ist einer der wesentlichen Mehrwerte des stationären Handels, zumindest für solche Kunden, die darauf Wert legen. (Dieser Mehrwert kann sich aber auch ins Gegenteil verkehren, wenn das Verkaufspersonal ahnungslos, gleichgültig oder sogar unfreundlich ist.) Drei weitere Mehrwerte sind die drei A´s: Anfassbarkeit der Ware, ihre Anprobierbarkeit und ihre Abschleppbarkeit bzw. Abtransportierbarkeit.

Lieber Herr Brauner, Sie sind ja selber Unternehmer, nämlich geschäftsführender Gesellschafter der Comed Informationsmanagement GmbH in Landsberg, und daher wissen Sie sicher besser als ich, dass Unternehmungen nur dann dauerhaft eine Existenzgrundlage haben, wenn sie Produkte und Dienstleistungen anbieten, die vom Verbraucher nachgefragt und bezahlt werden. Wohlmeinende Appelle Dritter können allenfalls kurzfristig helfen.

Beste Grüße!

Damian Sicking

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