Telepräsenzroboter werden marktreif

Fernbediente Roboter retten Menschenleben in Krankenhäusern und bringen entfernt voneinander wohnende Familienmitglieder zusammen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 37 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Telepräsenzroboter haben 2012 offenbar den Übergang zur Marktreife geschafft. Das berichtet Technology Review in der aktuellen Ausgabe 1/2013 (am Kiosk oder direkt im Heise Shop zu bestellen). 2011 zählte der Industrieverband International Federation of Robotics (IFR) nur 150 verkaufte Geräte. Viele davon waren zudem Assistenzsysteme für Ältere und Behinderte – Telepräsenzroboter sind nicht eigens ausgewiesen. Gudrun Litzenberger von der Statistikabteilung des IFR schätzt aber, dass sich allein der Verkauf von Telepräsenzrobotern zwischen 2012 und 2015 auf knapp 5000 Stück erhöhen wird.

Ein Beispiel für die junge Gerätegattung ist ein Telepräsenzroboter namens QB, hergestellt vom Start-up Anybots mit Sitz in Santa Clara, Kalifornien. Er besitzt eine Fünf-Megapixel-Farbkamera für das Gespräch mit dem Gegenüber sowie eine Schwarz-Weiß-Kamera mit Blick auf den Boden, um das Navigieren zu erleichtern. Gesteuert wird er aus der Ferne über die Pfeiltasten einer Rechner-Tastatur. Ein Lidar-basiertes System hilft, Hindernisse zu erkennen. Das ist auch sinnvoll, denn der QB kann immerhin bis zu 5,6 Kilometer pro Stunde schnell werden. Trotz gewisser Kinderkrankheiten und eines Preises von 10.000 Dollar haben bisher 70 Kunden den QB geordert. In erster Linie handelt es sich dabei um große Unternehmen und Universitäten, die das System weiterentwickeln wollen.

Der große Aufschwung, den die Branche derzeit erlebt, geht aber eher von sehr viel kleineren Vertretern aus. Wie dem „Botiful“, eine Art Fahrwerk für Smartphones. Entwickelt hat es die Französin Claire Delaunay. Als sie nach Kalifornien zog, kommunizierte sie viele Stunden mit ihrer Familie über Skype und hatte dabei stets das Gefühl, dass etwas fehlte. Als baute sich die Robotik-Ingenieurin ihren eigenen kleinen Telepräsenzroboter. „Meine Familie hat damit von Frankreich aus mein Haus besichtigt und sogar mit meiner Katze gespielt“, sagt Delaunay. Um Botiful auf den Markt zu bringen, sammelte sie über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter Geld. Ein Hersteller in Taiwan will Botiful nun in Serie herstellen. Delauny hofft, dass der Miniroboter dann nur 150 bis 250 Dollar kosten wird.

Der bislang größte Markt für Telepräsenzroboter ist die Medizin, einer der führenden Hersteller InTouch Health. Das US-Unternehmen hat weltweit 650 seiner Systeme in Krankenhäusern installiert. Ein Grund für diesen Boom ist der zunehmende Mangel an Spezialisten in kleineren Kliniken. Dabei geht es manchmal um Leben und Tod: So kam zum Beispiel im vergangenen Sommer im städtischen Krankenhaus der US-Stadt Silverton ein Baby einen Monat zu früh zur Welt und lief blau an. James Domst, der herbeigerufene Arzt, war kein Spezialist für Neugeborene. Er bat die Expertin Katie Townes McMann in Oregon um Unterstützung. Nur wenige Sekunden später erschien sie auf einem InTouch-Health-Roboter und schaute Domst über die Schulter. Sie erklärte dem Arzt unter anderem, wie er die Maske des Beatmungsbeutels bei dem Baby dicht verschließt, um die künstliche Beatmung zu verbessern. Nach ein paar Minuten atmete das Baby normal und überlebte ohne bleibende Schäden.

Inzwischen hat sich InTouch Health mit iRobot zusammengetan, bekannt für seinen Staubsauger-Roboter „Roomba“ und seinen Minenentschärfer PackBot. Das gemeinsame System RP-VITA kann autonom navigieren – Ärzte müssen künftig den Roboter nicht mehr von Patient zu Patient steuern, sondern geben das Ziel ein und warten, bis der Roboter es gefunden hat. Damit sparen sie wertvolle Zeit. RP-VITA wurde bislang an zwei Kliniken getestet. Anfang 2013 soll er erstmals ausgeliefert werden, allerdings zur Miete. Die Kosten werden zwischen 4000 und 6000 Dollar monatlich betragen, mit steigender Nachfrage aber sicher sinken.

Mehr in Technology Review 1/2013:

(grh)