Schichtende bei First Solar: "Wir können uns gar nichts vorwerfen"

Aus und vorbei: In den Hallen des Photovoltaik-Herstellers First Solar wird es zappenduster. Während Hunderte Familien in Ostbrandenburg auf Glück im neuen Jahr hoffen müssen, scheint es bei der Suche nach einem Investor nicht so trübe auszusehen.

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Von
  • Leticia Witte
  • dpa

Auf der Weihnachtsfeier saßen noch einmal fast alle beisammen. Ein Fotograf machte Erinnerungsbilder. So beschreibt Marco Gerlach die letzte gemeinsame große Zusammenkunft der First-Solar-Mitarbeiter in Frankfurt (Oder). Am Jahresende wird es ernst für 1200 Menschen, die dachten, einen sicheren Job in der Solarbranche gefunden zu haben. Wenn das Silvesterfeuerwerk in den Himmel steigt, haben die meisten von ihnen keine Arbeit mehr. "Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn man an den 1.1. denkt", sagt Gerlach, der zweite stellvertretende Betriebsratsvorsitzende.

Am First-Solar-Standort an der polnischen Grenze endet am 31. Dezember offiziell die Produktion von Solarmodulen. Der 34-jährige Gerlach gehört zu den knapp 300 Mitarbeitern, die einen Aufschub von fünf Monaten bekommen haben. Sie wickeln bis Ende Mai 2013 den Betrieb in zwei Werkshallen ab. Ein Teil der Maschinen werde abgebaut und verschickt. Der andere Teil werde verschrottet. "Man reißt ab, was früher für Qualität stand", sagt Gerlach. Die restlichen etwa 800 Kollegen verlieren zum neuen Jahr ihre Arbeitsplätze, andere haben schon neue Stellen gefunden.

Die Schließungspläne wurden im April bekannt – und bis heute ist nicht klar, wie es an dem Standort weitergeht. Nach Einschätzung von Werksleiter Burghard von Westerholt dürfte es aber nicht mehr lange dauern, bis es neue Nachrichten gibt: "Wir haben tatsächlich mehrere ernsthafte Interessenten, mit denen wir parallel im Gespräch sind." Er hoffe, im ersten Quartal 2013 eine Lösung präsentieren zu können. Einige der Interessenten aus dem In- und Ausland kämen aus der Solarbranche. Weitere Angaben wollte Westerholt nicht machen. In die Investorensuche hatte sich auch die Landesregierung eingeschaltet.

First Solar ist einer der großen Akteure in der weltweiten Solarmodulherstellung. Das Unternehmen hatte die Schließungsabsicht im April mit der Solar-Förderkürzung der Bundesregierung begründet. Von Westerholt verwies auch auf Dumpingpreise. Siegfried Wied, Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall, bezeichnet die Schließung der Werke auch heute noch als skandalös. "Ich behaupte, das war nicht nötig." Das Unternehmen hätte weiter produzieren können, mit reduzierter Belegschaft. Ein solches Konzept wäre nicht aufgegangen, sagt dagegen von Westerholt.

Das Aus war für die strukturschwache Region Ostbrandenburg eine Hiobsbotschaft. Kurz nach Bekanntwerden der Pläne von First Solar errechnete die Agentur für Arbeit, dass nicht nur 1200 Menschen ihren Job verlieren, sondern mit bis zu 2000 Arbeitslosen in der Region zu rechnen sei – inklusive Beschäftigte von Zulieferern und anderen Dienstleistern. Die Arbeitslosenquote in Frankfurt sowie den Kreisen Oder-Spree und Märkisch-Oderland liegt den Angaben zufolge bei 11,5 Prozent. Wer kann, sucht sein Glück anderswo in Deutschland. "Es trifft einige Familien hart", betont Betriebsratsmitglied Gerlach.

In der Solarbranche sieht es nicht besonders rosig aus. In diesem Jahr meldeten allein in Sachsen-Anhalt die Solarunternehmen Q-Cells und Sovello Insolvenz an. Für Q-Cells immerhin wurde mit Hanwha in Südkorea ein Investor gefunden, der den größten Teil der Arbeitsplätze langfristig sichern will. Im Osten Brandenburgs schloss am 1. Juni dieses Jahres die Solarfirma Odersun mit 260 Mitarbeitern. "Conergy ist der Hoffnungsträger", sagt Gewerkschafter Wied. Die Firma ist ebenfalls in Frankfurt (Oder) vertreten, dort seien auch Auszubildende von First Solar untergekommen, berichtet Wied.

90 Prozent der Belegschaft gingen in eine Transfergesellschaft, hinzu kämen Abfindungen, sagt Gerlach. Zwischen Weihnachten und Neujahr laufe der Schichtbetrieb aus, sagt sein Chef von Westerholt. "Es ist eine traurige Zeit." In Frankfurt habe man die Entwicklung des Standortes nicht beeinflussen können. "Wir haben über die Zeit unseren Job gut gemacht. Wir können uns gar nichts vorwerfen." (jk)