US-Waffenlobby macht Computerspiele, Filme oder Musik für Gewalt verantwortlich

Die NRA fordert zum Schutz der Schulen bewaffnete Sicherheitskräfte

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Von
  • Florian Rötzer


Nach dem Massaker von Newtown war erst einmal Schweigen im Lager der Waffenfanatiker in den USA, gegen die sich kaum ein Politiker zu wenden traute. In den waffenstarrenden USA, wo jedes Jahr mehr als 30.000 Menschen, also deutlich mehr als durch die Anschläge von 9/11, durch Schusswaffen ums Leben kommen, steckt man weiterhin in der Welt des Wilden Westens fest, in der jeder darauf angewiesen war, sich selbst zu verteidigen. Der Besitz von Schusswaffen wird als Verfassungsrecht behandelt. Aber nach Newtown wurden die Stimmen lauter, Schusswaffen strenger zu regulieren, sodass sich selbst US-Präsident Obama traute zu sagen, dass es so nicht weiter gehen könne, ohne allerdings konkreter zu werden.

Diskutiert wurde bei demokratischen Politikern, zumindest halbautomatische Schusswaffen, die der junge Mann in Newtown verwendet hatte, nicht mehr so leicht zugänglich zu machen. Auch bei manchen Republikanern wurden strengere Kontrollen in Erwägung gezogen. Aber es war klar, dass die Waffenlobby und die rechten Zirkel nicht lange schweigen würden. Erst einmal kam schon die Idee auf, durch weitere Aufrüstung der diffusen Bedrohung durch zumeist junge Männer in der Provinz entgegenzutreten. Die Logik ist wenig überraschend, wenn auch kaum überzeugende Beweise vorliegen, dass sie zur langfristigen Senkung der Gewalt auf zwischenstaatlicher Ebene oder in der Gesellschaft beiträgt: Man müsse nur die Lehrer an den Schulen mit Schusswaffen ausstatten, um solche Massaker durch Abschreckung zu verhindern. Die Amokläufer würden sich Soft Targets wie Schulen oder Universitäten aussuchen, wo sie nicht mit bewaffneter Gegenwehr rechnen müssten. Allerdings wollen die Amokläufer in der Regel nicht nur möglichst viele Menschen töten, sondern in einem finalen Aufmerksamkeitsspektakel auch Selbstmord begehen oder erschossen werden. Abschreckung ist da vermutlich ebenso wenig effizient wie bei islamistischen Selbstmordattentätern. Möglicherweise ließe sich allerdings die Opferzahl senken.

Jetzt hat sich endlich nach einer Woche die mächtige National Rifle Association (NRA) zurückgemeldet, um den Waffenfeinden entgegenzutreten. Die Regierung wird aufgerufen, doch an allen Schulen bewaffnete Sicherheitskräfte einzusetzen, um weitere Massaker zu vermeiden. Schulen sollen also zu aufgerüsteten Hochsicherheitsgebieten werden, um zu gewährleisten, dass Schusswaffen weiterhin ohne größere Probleme gekauft werden können.

"Das Einzige, was einen Bösen mit einem Gewehr stoppen kann, ist ein Guter mit einem Gewehr", sagte NRA-Vizepräsident Wayne LaPierre in einer erschütternd einfachen Logik. Die NRA würde kostenlos helfen, an jeder Schule bewaffnete Sicherheitskräfte zu postieren. Hingegen würde das Verbot von Waffen an Schulen oder anderen Orten Täter nur einladen. Man schütze schließlich Banken, Flughäfen oder den Präsidenten auch mit bewaffneten Sicherheitskräften, das müsse man eben auch an Schulen so machen, weil es einfach eine "unbekannte Zahl an wirklichen Monstern" in der Gesellschaft gebe, die niemand verstehen könne. Dazu kämen die Kriminellen, die sich wie ein "Krebs" ausgebreitet hätten.

LaPierre hat hingegen einen anderen Feind ausgemacht, gegen den vorgegangen werden müsse, nämlich eine im Gegensatz zur Waffenlobby "korrupte Schattenindustrie", die Gewalt gegen die Menschen propagiert: "Durch lasterhafte gewalttätige Computerspiele wie Bulletstorm, Grand Theft Auto, Mortal Kombat und Splatterhouse. Und es gibt eines, das sich Kindergarten Killers nennt. Es ist seit 10 Jahre online."

Aber die Waffenlobby will nicht nur Computerspiele, sondern die Medien überhaupt für die Gewalt verantwortlich machen. Es gebe blutrünstige Filme wie American Psycho oder Natural Born Killers, die ihre Propaganda alltäglich aussenden. Zudem gebe es Tausende von Musikvideos, "die das Leben als Witz und Mord als einen Lebensstil darstellen." Das werde Unterhaltung genannt, sei aber nichts anderes als sich vorzustellen, wie man Menschen töten kann, um darauseinen Kick zu beziehen. (fr)