Sprachforscher rügen Zehetmairs Twitter-Schelte

SMS und Twitter erst ab 14? Das hat einer der obersten Rechtschreiber in Deutschland vorgeschlagen. Nun hält ein Sprachforscher dagegen.

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Von
  • Bernd Behr

Der Vorsitzende des Rats für deutsche Rechtschreibung und früherer stellvertretender Ministerpräsident Bayerns, Dr. h.c. mult. Hans Zehetmair (CSU), bekommt für seine Vorschläge zur Beschränkung von digitaler Kurzkommunikation bei Kindern und Jugendlichen Gegenwind aus der Sprachforschung.

Zehetmair zufolge führt die Nutzung der Kurznachrichtendienste dazu, dass die deutsche Sprache verarme. Vor allem bei Jugendlichen sei das Vokabular durch SMS und Twitter sehr simpel, die Rechtschreibung fehlerhaft. Daraus hatte er den Vorschlag abgeleitet, dass Kinder iPad, Twitter und das Kurzmitteilungsprogramm WhatsApp erst benutzen sollten, wenn sie schon gefestigte Deutsch-Kenntnisse hätten – für unter 14-Jährige seien diese Kommunikationsmittel ohnehin entbehrlich. Er rief dazu auf, stattdessen gutes Deutsch zu pflegen und wieder lebendig zu machen: "Wir müssen wieder um Worte ringen."

Der Essener Sprachforscher Prof. Dr. Karl-Dieter Bünting widersprach nun Zehetmairs Einschätzung der gängigen digitalen Kurzkommunikation. "Eine SMS ist näher am Menschlichen, durch ihre Lockerheit hat sie ganz andere emotionale Qualitäten als ein Brief", sagte Bünting den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe. Die neue Kommunikationsform mache die Sprache nicht kaputt, sondern eröffne neue Möglichkeiten des Ausdrucks, der Zwang zur Verdichtung rege die Fantasie an.

Der Duisburger Linguist Prof. Dr. Ulrich Ammon wies im Gespräch mit der WAZ darauf hin, dass es sich bei der SMS-Sprache um reine Umgangssprache handle. Die sei schon immer lässiger gewesen als die Hochsprache, die davon nicht beeinflusst werde.

Der Verein Deutsche Sprache e.V. mit Sitz in Dortmund stimmt dagegen den Aussagen Zehetmairs zu: "Die deutsche Sprache wird zu wenig gepflegt und verfällt in bestimmten Bereichen", sagte Geschäftsführer Holger Klatte der WAZ. Er bemängelt, dass Deutsch als Schulfach zu wenig Bedeutung beigemessen werde. "Das, was Zehetmair beschreibt, sind die Folgen daraus", sagte Klatte.

(dpa) / (bb)