Der chinesische Automarkt überholt Europa

In China werden wohl 2013 mehr Autos produziert als in Europa. Bisher profitieren deutsche Unternehmen vom chinesischen Wachstum. Doch chinesische Investoren könnten im Gegenzug auf Einkaufstour in Europa gehen

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Gernot Goppelt

China dürfte Europa in diesem Jahr erstmals bei der Autoproduktion abhängen. Wie die Financial Times (Mittwoch) unter Berufung auf fünf Prognoseinstitute schreibt, würden in China 2013 rund 19,6 Millionen Autos produziert, in Europa dagegen 18,3 Millionen. Ein Grund sei die Euro-Schuldenkrise, die zu einem Einbruch der Nachfrage in Europa geführt hat. Seit mehr als einem Jahr gehen die Neuzulassungen auf dem alten Kontinent zurück, vor allem Massenhersteller wie Peugeot, Ford oder Opel haben bereits Werksschließungen angekündigt, um die teuren Überkapazitäten drastisch zu reduzieren. In diesem Jahr hatte Europa im Vergleich zu China noch mit 18,9 zu 17,8 Millionen Autos die Nase vorn.

Die Entwicklung war zu erwarten, denn im bevölkerungsreichsten Land der Erde steigt die Autoproduktion rasant: Laut Financial Times hat sie sich seit 2000 mehr als verzehnfacht. 2013 werde fast jedes vierte Auto in China hergestellt. Aus Europa dürfte etwa jedes fünfte kommen. 1970 sei noch fast jedes zweite Auto in Europa hergestellt worden.

Für europäische Automobilhersteller und -zulieferer ist die Entwicklung nicht in jedem Fall ein Nachteil. Von der Entwicklung profitieren derzeit zum Beispiel der Volkswagen-Konzern sowie BMW und Daimler, denn deutsche Oberklasse-Autos sind gefragt. Volkswagen hat in China auch mit Durchschnittslimousinen Erfolg, ist derzeit wie in Deutschland Marktführer. Auch in den USA läuft das Geschäft für Volkswagen gut, trotz der dortigen Finanzkrise. Im Vergleich zu 2011 konnte Volkswagen seinen weltweiten Absatz um gut 10 Prozent steigen. Seit 2007 ist das Personal des Konzerns von 325.000 auf 550.000 Mitarbeiter gewachsen, knapp 250.000 sind in Deutschland tätig.

Volkswagen erwartet für 2013 allerdings kein vergleichbares Wachstum, sondern rechnet mit einem Jahr der Konsolidierung. Schwieriger wird es für andere europäische Hersteller wie Opel, Fiat und PSA Peugeot-Citroën, die stärker von Europa abhängig sind. Opel darf in China oder USA keine Fahrzeuge verkaufen, allenfalls steckt Opel-Technik unter einer Chevrolet-Haube. Alle drei Marken sind beispielsweise in den USA nicht präsent, Fiats Versuche, sich dort mit dem 500 zu etablieren, führen bisher nicht zu ausreichenden Stückzahlen, um wie Volkswagen ein großer Marktteilnehmer zu werden.

An der chinesischen Limousine Qoros GQ3 haben unter anderem Magna Steyr, Continental und Bosch mitgearbeitet

Auch deutsche und österreichische Zulieferer profitieren vom Wachstum in China. Der Getriebehersteller Getrag will zum Beispiel seine Doppelkupplungsgetrieben im dortigen Markt etablieren und errichtet zusammen mit Dongfeng ein eigenes Werk. Bei der chinesischen Limousine Qoros GQ3, die 2013 nach Europa kommen soll, helfen unter anderem Magna Steyr, Continental und Bosch mit. Dieses Beispiel zeigt aber auch exemplarisch, mit welcher einer Herausforderung deutsche und europäische Unternehmen in Zukunft konfrontiert sein werden: China wird sich natürlich darum bemühen, möglichst viel Ingenieurskompetenz im eigenen Land aufzubauen.

Dabei könnten auch Firmenübernahmen helfen: Wie die dpa im November berichtete, könnten chinesische Investoren bald "im großen Stil" nach finanziell angeschlagenen Autozulieferern aus Deutschland greifen. Besonders kleine und mittlere Unternehmen seien in der Krise 2009 an ihre Reserven gegangen und hätten nicht genug Zeit gehabt, sich zu erholen. Den Chinesen gehe es aber nicht nur um westliches Know-How für ihre Produkte, sondern auch um den Marktzutritt. Sie hätten verstanden, dass für den Zugang zu den europäischen Autoherstellern die Präsenz vor Ort notwendig ist. (Mit Material der dpa) (ggo)